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Ich bin der letzte Jude

Ich bin der letzte Jude

Titel: Ich bin der letzte Jude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chil Rajchman
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herauszulösen. Es gelingt uns. Wir haben die Technik begriffen. Wir
schleifen die Leiche eilends auf die blutverschmierte Trage und laufen in
dieselbe Richtung wie die anderen. Die Peitschenhiebe der Mörder, die zu beiden
Seiten des Weges stehen, begleiten uns. Da wir noch neu sind, finden wir uns
nicht sofort zurecht und kriegen deshalb mehr Schläge als die anderen ab.
    Die »Dentisten« beugen sich über jede Trage und sehen
nach, ob die Toten Goldzähne haben. Das kenne ich noch nicht. Aus Angst vor
Schlägen weigere ich mich stehen zu bleiben. Der Dentist entdeckt, dass der
Tote, den ich trage, Goldzähne hat. Er hält mich an, denn er muss seine Arbeit
machen. Er schreit mich an und versperrt mir den Weg. Ich schreie zurück:
»Warum lässt du mich nicht durch? Wegen dir werde ich Schläge kriegen.« Er
beruhigt mich, man wird mich nicht schlagen. Er sagt, wenn er einen Toten mit
künstlichen Zähnen durchlässt, kriegt er eine Kugel in den Kopf. Seine Hände
zittern. Nach ein paar Sekunden sagt er: »Lauf weiter!«
    Wir schließen uns einer Kette von Trägern an, die einen Toten nach
dem andern wegtragen. Wir kommen an eine sehr tiefe Grube, und ich versuche, es
denen vor mir gleichzutun: die Leiche hineinzukippen, indem ich die Trage nach
einer Seite neige. Aber der Kopf verklemmt sich zwischen zwei Stangen. Wir
versuchen, ihn herauszuziehen, was nicht gelingt. Wir halten die auf, die nach
uns kommen. Der Jude, der die Toten wie Heringe nebeneinanderreiht, ruft mir
zu, die Trage abzustellen und den Kopf zwischen den Stangen herauszuziehen. Ein
Mörder, der am Rand der Grube steht, kommt gelaufen und verpasst uns so lange
Peitschenhiebe, bis es uns schließlich gelingt, den Kopf herauszuziehen, und
wir mit der leeren Trage zu den Leichen zurückrennen können.
    Während der Zeit, die ich wegen des Kopfes verloren habe, ist die
Kette der Träger unterbrochen worden. Jetzt bin ich der Erste, und ich kriege
noch mehr Schläge ab. Kein Teil meines Körpers ist mehr ganz, und ich weiß mir
nicht zu helfen.
    Wir sind wieder bei dem entsetzlichen Haufen angelangt. Ich stelle
die Trage ab. Aus der obersten Schicht zerren wir eine Leiche heraus. Als ich
sehe, dass sich einer der Schurken nähert, der uns prügeln wird, kommt die
Leiche unglücklicherweise mit dem Gesicht nach unten zu liegen. Wir heben die
Trage auf und setzen zum Laufen an. Auf Befehl bleiben wir wieder stehen. Der
Schurke schlägt auf uns ein.
    Ein Träger schreit mir im Vorbeilaufen zu, wir sollen die Trage
abstellen, die Leiche umdrehen und darauf achten, dass der Kopf auf einer
Stange liegt, damit er nicht zwischen den Stangen durchfallen kann. Ich stelle
die Trage ab, drehe das arme Opfer um, und schon laufen wir wieder.
    Nach mehrmaligem Hin-und-Her-Rennen wird mir endlich klar, wie es in
der tiefen Grube aussieht: Ein paar Häftlinge, alles Juden, sind unten in der
Grube und reihen die Toten nebeneinander. Das ist ihre Arbeit. Die Grube füllt
sich unaufhaltsam. Unmöglich, eine Pause zu machen, wir müssen dicht aufeinanderfolgen,
ohne Unterbrechung. Wir laufen von einer Stelle zur anderen. Bis zum Abend vergehen
zwei Stunden, sie kommen mir vor wie ein ganzes Jahr.
    Es schlägt sechs Uhr. Wir laufen zu einem Schuppen, wo wir die
Tragen und die Schaufeln abstellen. Wir müssen uns mit dem Aufräumen beeilen,
sonst gibt es Prügel.
    Endlich stellen wir uns zum Appell auf. Nachdem wir, während ein
Lied erklingt, gezählt worden sind, werden wir in eine von Stacheldraht
umgebene Baracke gedrängt.

9
    Kamerad Jankl nimmt mich als Partner an der Trage.
Ich träume einen süßen Traum von meiner verstorbenen Mutter.
Die Allee der erhängten Juden.
    Ich breche zusammen, ich kann mich nicht mehr bewegen. Ich
bleibe noch einen Moment liegen. Von der Küche her höre ich es brüllen: Wir
werden zum Kaffee gerufen. Es fällt mir schwer aufzustehen. Wir werden aus der
Baracke getrieben und müssen uns in Fünferreihen vor der Küche aufstellen. Wir
warten noch ein paar Minuten. Der Schalter öffnet sich, und jeder erhält ein
Stück Brot und etwas trübes Wasser, das Kaffee sein soll. Ich sterbe vor Durst.
Ich trinke den Kaffee, ohne das Brot zu essen, und merke gar nicht, was für
einen mörderischen Hunger ich habe. Dann kehren wir zur Baracke zurück. Ich bin
tot wie eine Leiche. Ich schaue mich um: Wir sind alle geschlagen worden und
voller Blut.
    Von überall her ist Stöhnen zu hören. Jeder von uns weint über sein
Unglück. Ich liege da in

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