Ich bin der letzte Jude
Unterscharführers Gustav 32 . Er bemerkte die Zähne im Mund
der Leiche, und dieselbe Szene wiederholte sich. Dieses Mal bekam ich etwa
siebzig Schläge mit der Peitsche. Mit ganzer Kraft schlug er auf meinen Rücken
ein, immer auf dieselbe Stelle. Es fehlte nicht viel, und er hätte mir das
Rückgrat gebrochen. Als es mir unter größten Schmerzen gelang aufzustehen, rann
das Blut an mir hinunter bis in die Hose. Bald hatte sich eine riesige Blutkruste
auf dem Rücken gebildet, und am nächsten Tag wurde eine Blutvergiftung festgestellt.
Ich hätte nicht überlebt, wenn Dr. Zimerman mich nicht operiert hätte. Glücklicherweise
war das an einem Sonntag, als wir nicht arbeiteten. Dr. Zimerman hatte die Instrumente
bei sich und führte die Operation in der Baracke durch. Er betäubte mich sogar,
dann öffnete er die Wunde und säuberte sie. So hat er mir das Leben gerettet.
12
Die Juden von Ostrowiec werden nachts in die Gaskammern getrieben.
Sie leisten Widerstand.
Lagerchef Matias ist verletzt.
Eine neue Zerstreuung.
Schlägerei in der Gaskammer.
Bis zum 15. Dezember kamen die Transporte regelmäßig, mit
ungefähr zehntausend Personen täglich. Wenn ein Zug nach sechs Uhr abends
ankam, wurden die Insassen im Allgemeinen nicht mehr am selben Tag vergast. Der
Zug blieb im Bahnhof von Treblinka stehen und fuhr erst am folgenden Morgen ins
Lager ein.
Am 10. Dezember hielt ein Transport mit Juden aus Ostrowiec 33 im Bahnhof. Die Lagerleitung
wurde informiert, am nächsten Morgen würde ein weiterer Transport in Treblinka
eintreffen. Es wurde angeordnet, die Juden aus Ostrowiec noch in derselben
Nacht in die Gaskammern zu schicken. Der Befehl wurde ausgeführt. Wir waren
schon in den Baracken eingeschlossen und konnten nichts sehen. Wir hörten nur
die üblichen Schreie. Aber als wir am nächsten Morgen zur Arbeitsstelle gingen,
entdeckten wir die Spuren dessen, was nachts geschehen war. Die Rampenarbeiter
öffneten die Klappen der Gaskammern und begannen, die Leichen herauszuziehen.
Die Träger schleppten sie bis zu den Gruben. Dieses Mal hatten die Träger und
die Aufräumer der sogenannten Schlauchkolonne eine ganz neue Aufgabe zu
erfüllen.
Der Gang des Gebäudes mit den drei kleinen Gaskammern war mit
Leichen übersät. Das geronnene Blut reichte bis zu den Knöcheln. Von den
Ukrainern erfuhren wir, was geschehen war. Eine Gruppe von mehreren Dutzend
Männern hatte sich geweigert, die Gaskammer zu betreten. Nackt, wie sie waren,
wehrten sie sich mit ihren Fäusten und wollten sich nicht hineinstoßen lassen.
Daraufhin eröffneten die SS -Männer mit ihren
Maschinengewehren das Feuer und machten die Rebellen auf der Stelle nieder.
Die Träger haben die Leichen weggebracht, die Aufräumer haben den
Gang sauber gewaschen. Wie gewöhnlich haben die Maler die mit dem Blut und dem
Gehirn der Ermordeten verschmierten Wände mit frischem Kalk übertüncht. Dann
stand das Gebäude wieder dafür bereit, neue Opfer aufzunehmen.
Der Scharführer-Chef Matias kam dann zu uns Dentisten und sagte zu
unserem Kapo Dr. Zimerman: »Und weißt du, Doktor, diese Kerle wollten sich
entziehen.«
Matias war aufrichtig verwundert und überrascht. Er konnte einfach
nicht fassen, warum sich diese Juden nicht bereitwillig hatten töten lassen,
das war für ihn nicht normal.
Dieser Tag war besonders anstrengend gewesen. Kurz darauf kam schon
der nächste Transport, und der Zufall wollte, dass es sehr viel falsche Zähne
und Kronen zu entfernen gab.
Sobald ein Teil der Leichen bearbeitet war, wurden die
Zähne in ein Gefäß getan und von zwei Dentisten zu einem Bad gebracht und
gewaschen. Dann brachte man sie für die weitere Arbeit zu uns zurück. In
unserer Zelle gab es ständig eine Reserve an Zähnen, und wenn sie nicht vom
Blut und den Zahnfleischresten gereinigt worden wären, hätten sie früher oder
später einen pestilenzialischen Gestank verbreitet.
Wenn einmal eine kurze Pause eintrat, nachdem wir eine
Gaskammer geleert hatten und in der nächsten das Vergasen noch nicht fertig
war, weil die Leute drinnen noch Lebenszeichen von sich gaben oder noch Schreie
zu hören waren, dann zwangen uns diese Bestien, in der kurzen Pause zur Musik
des aus Juden bestehenden Orchesters, das neben unserer Baracke stand und
ununterbrochen musizierte, zu tanzen und zu singen.
Im Dezember sind die Transporte seltener geworden. Ein
Teil der Deutschen ging in Urlaub. Matias war früher abgefahren und kam erst
nach dem Neujahrstag 1943 ins
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