Ich bin die, die niemand sieht
gieße beides in den Waschzuber und fülle mit dem Eimer Wasser nach. Ich lege Holz nach und schleiche nach draußen, um den Eimer aufzufüllen.
Als ich zurückkomme, hat Darrel sich aufgerichtet und das Hemd ausgezogen. Er ist aufgeregt. Ein geheimes Bad – ohne Mutters Zustimmung!
Natürlich wacht sie von den Geräuschen trotzdem auf. Sie setzt sich kurz hin, sieht uns missbilligend an und legt sich wieder schlafen.
Jetzt sind wir nicht mehr so vorsichtig. Ich helfe Darrel, die Hose auszuziehen. Es ist dunkel. Dennoch wende ich den Blick ab.
Dann helfe ich ihm in den Zuber zu steigen. Viel ist noch nicht darin, aber gleich werde ich mehr warmes Wasser haben, das ich ihm über den Kopf gießen kann. Ich reiche ihm Seife und Handtuch. Er schrubbt sein Gesicht, die Arme, den Körper. Ich übernehme den Rücken. Außerdem wechsele ich seine Bettwäsche und lege die schmutzigen Leintücher beiseite. Selbst sein geschwollener, schwarzer Fuß wird ein bisschen gebadet. Und warum auch nicht? Schließlich spürt Darrel keine Schmerzen mehr.
»Er soll zur Hölle fahren«, sagt er. Ich stimme zu.
Während Darrel sich abtrocknet und anzieht, schrubbe i ch die schmutzige Bettwäsche im warmen Wasser und häng e sie draußen auf. Die Novemberkälte lässt mich schaudern. Ich blicke durch die Dunkelheit in deine Richtung. Ob du noch schläfst?
Ich gehe zurück ins Haus. Die Luft fühlt sich schon leichter und klarer an.
Als ich Darrel wieder ins Bett helfe, ist es beinahe Morgengrauen. Er riecht nach nassen Haaren und Seife. Seine Haut ist blitzsauber und gerötet.
»Danke, Wurm.« Er drückt mir die Hand.
XLI
Noch vor Sonnenaufgang erwache ich und bin nicht sicher, welche Ereignisse der letzten Nacht ich nur geträumt habe. Dann fällt mir ein, welcher Tag heute ist. Schnell stehe ich auf und ziehe mich an. Ich fühle mich, als läge mir ein Stein im Magen.
Darrel liegt regungslos im Bett. Beinahe fürchte ich, dass es schon zu spät ist. Ich renne den ganzen Weg ins Dorf und erreiche die Schmiede noch bevor die Feuer entzündet werden. Horace unterhält sich mit Melvin Brands und dem Dorfvorsteher Brown. Ich warte auf der Schwelle.
Brown ist so angesehen, dass er ein Gespräch mit mir riskieren kann.
»Geht es Ihrem Bruder gut, Miss Finch?«, fragt er. Die anderen folgen ihm auf die Veranda.
Ich schüttele den Kopf. Nein.
»Sind Sie deshalb hier?«
Ja.
»Horace«, sagt er ohne den Blick von mir zu wenden, «Miss Finch braucht Ihre Hilfe mit dem Fuß ihres Bruders.«
»Ich gehe«, sagt der Doktor, Melvin Brands.
Mit einer Geste bedeute ich ihm, dass meine Taschen leer sind, und schüttele traurig den Kopf.
Er wischt meinen Protest mit einer Handbewegung beiseite.
»Ich gehe«, beharrt er. »Und Horace kommt mit.«
XLII
Schweigend verlassen wir das Dorf und machen nur beim Haus des Doktors Halt, damit er seine Tasche holen kann. Horace trägt ein riesiges Beil über der Schulter und pfeift vor sich hin. Er glaubt wohl, er könne mich damit aufheitern.
Ich brauche keine Aufheiterung. Ich will nur, dass das hier vorbei ist.
Wir passieren dein Haus. Du kommst gerade aus dem Wald. Die Decke trägst du im Arm. Deine Haare und Kleidung sind voller Laub und Zweige. Die Axt hängt über deiner Schulter. Als du uns entdeckst, hältst du peinlich berührt inne.
Der Stein in meinem Magen verwandelt sich in ein wildes Karnickel. Zum Glück konzentrieren sich die Männer auf dich und nicht auf mich. Sonst würde ich bestimmt rot.
»Guten Morgen, Lucas«, ruft Horace. »Warst du zelten?«
Gott segne Horace Bron. Er ist solide, aus Erde und Eisen, er lässt sich nicht von Gerüchten beeinflussen. Aber Dr. Brands grüßt dich nicht.
Du scheinst seine kühle Art nicht zu bemerken. Dein B lick zwingt mich, dich anzusehen. Mit einer kleinen Geste verweist du auf die Decke und fragst mich wortlos: Warst du das?
Mein Gesicht kann so stumm sein wie meine Stimme. Aber vor dir kann ich nur schwer etwas verbergen. Ich schaue weg und gehe schnell weiter.
Deine Augen bohren sich in meinen Rücken, bis die Wegbiegung mich aus deinem Blickfeld führt.
XLIII
Mutter hat Darrel mit Whiskey abgefüllt und das Feuer geschürt. Jeder Topf, den wir besitzen, ist mit siedendem Wasser gefüllt.
»Hervorragend«, findet Dr. Brands. Mutter hat einen Hauklotz und einen Eimer an Darrels Bettende aufgestellt.
Meine Mutter ist gut vorbereitet.
Es klopft. Du trittst ein. Jip ist ausnahmsweise nicht dabei.
Werde ich zeitlebens bei
Weitere Kostenlose Bücher