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Ich bin die Nacht

Ich bin die Nacht

Titel: Ich bin die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ethan Coss
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würde.
    Maureen versuchte, so leise wie möglich zu sein, als sie die Treppe hinaufstieg. Jedes Mal, wenn sie den Fuß auf eine Stufe setzte, ächzte das Holz unter ihrem Gewicht, und sie glaubte zu hören, wie jemand einen Nagel in ihren Sarg schlug. Bis zu diesem Augenblick war ihr nie aufgefallen, wie laut die Stufen knarrten. Aber sie hatte auch noch nie durch ihr eigenes Haus schleichen müssen.
    Nachdem sie die Treppe zu einem Viertel hinaufgestiegen war, gab sie den Versuch auf, kein Geräusch zu machen, und rannte los.
    Im Obergeschoss versuchte sie, wieder leise zu sein, und setzte jeden Schritt mit Bedacht. Die Bodenbretter in der Diele knarrten zwar auch, aber längst nicht so laut wie die Treppenstufen. Auf Zehenspitzen ging Maureen zum Schlafzimmer, wobei sie das Gefühl hatte, dass der Psycho noch nicht genau wusste, wo sie sich befand.
    Sie drehte den Knauf, schlich ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Vorsichtig stellte sie sich aufs Bett und griff hinauf zur Decke, wo eine verborgene Falltür heruntergezogen werden konnte. An der Innenseite war eine Faltleiter angeschraubt, über die man bequem auf den Dachboden gelangte.
    Maureen stieg die Leiter hinauf und zog die Falltür hinter sich zu. Ihr Mann hatte den Dachbodenzugang mit Putz kaschiert: Nur eine schmale Naht und eine dünne Zugkette verrieten ihn. Maureen betete, dass der Verrückte beides übersah.
    Sie hatte keinen Grund zu glauben, dass er wirklich verschwand und sie in Ruhe ließ, sobald die drei Minuten verstrichen waren, aber ihr blieb keine andere Wahl, als ihm zu glauben. Wenn dieser Irre sich nicht an seine eigenen Spielregeln hielt, konnte nur ein Wunder sie noch retten.
***
    Maureen lag regungslos auf den Balken des Dachbodens. Sie überlegte fieberhaft, ob es hier oben irgendetwas gab, das sie als Waffe verwenden konnte, falls der Killer ihr Versteck entdeckte, aber der Dachboden war so gut wie leer. Nur eine große Truhe stand hier, in die Maureen ein paar Sachen von ihrem verstorbenen Mann gelegt hatte, dazu alte Kleider, Fotoalben, gerahmte Bilder, Amateurfilme und andere Andenken. Sollte sie die Glasscheibe eines Bilderrahmens zerbrechen? Aber nein – damit hätte sie dem Killer nur verraten, wo sie sich versteckte. Und selbst wenn sie eine Scherbe gehabt hätte – sie hätte nicht gewusst, wie sie sich daraus ein behelfsmäßiges Messer fertigen konnte.
    Sie fragte sich, wie viel Zeit verstrichen war. Es kam ihr vor wie eine Ewigkeit. Sie versuchte langsamer zu atmen und wartete.
    Nach ein paar Sekunden hörte sie einen Lärm, der das Bild eines Güterzugs heraufbeschwor, der durchs Haus raste. Doch Maureen wusste, woher der Krach kam, und seine Quelle war kein Zug. Es war ein Mann, der in vollem Tempo die Treppe hinaufstürmte und durch den Korridor rannte.
    Sie hörte, wie nur wenige Fuß unter ihr, auf der anderen Seite der Decke, die Schlafzimmertür mit lautem Knall aufgestoßen wurde.
    Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie bekam kaum Luft. Wie hatte er sie so schnell finden können?
    Sie biss sich auf den Fingerknöchel, damit sie nicht schrie oder schluchzte. Dabei zitterte sie am ganzen Leib, und ihr war kälter als jemals zuvor.
    Maureen flehte Gott an, sie zu retten oder ihr wenigstens einen schnellen Tod zu schenken.
    Sie schmeckte eine merkwürdig kupfrige Flüssigkeit im Mund und bemerkte, dass sie sich den Fingerknöchel aufgebissen hatte. Aber das spielte keine Rolle mehr. Sie biss fester zu, versuchte sich im Schmerz zu verlieren.
    Knarrend öffnete sich die Dachbodenluke. »Raus«, rief der Irre. »Raus hier, wo auch immer Sie sind.«
    Sie hörte, wie er die Leiter aufklappte und den Aufstieg zu ihr begann.
    Heiße Tränen liefen ihr die Wangen hinunter. Sie wollte noch nicht sterben. Nach dem Tod ihres Mannes hatte sie sich oft gewünscht, ihm nachzufolgen, aber dieser Wunsch war längst verflogen. Sie wollte leben, leben!
    Wenn ich Sie finde, erleiden Sie einen Tod, der entsetzlicher ist als alles, was Sie sich vorstellen können, hatte der Verrückte gesagt.
    O Gott, lieber Gott, gib mir noch eine letzte Chance.
    Dann kam Maureen ein Gedanke, so unvermittelt wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Sie hatte eine Möglichkeit, sich zu retten!
    Sie sprang auf, packte die große Truhe mit den Erinnerungsstücken, zerrte sie bis an die Luke und stieß sie dann mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, die Leiter hinunter und auf den Wahnsinnigen, der zu ihr hinaufgestiegen kam.
***
    Maureen spähte

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