Ich bin die Nacht
als wollte sie ihn nie wieder loslassen.
Marcus überlegte, ob er Ackerman verfolgen sollte, aber er wusste, dass der Killer längst fort war.
Während er Maggie in den Armen hielt, verblassten der Rest der Welt und die Ereignisse der letzten Stunden. In diesem Moment waren sie die einzigen Menschen auf Erden. Doch tief im Innern wusste Marcus, dass Maggie nicht vergessen würde, welches Geständnis Ackerman aus ihm hervorgelockt hatte.
Ich bin kein Polizist mehr, weil ich jemanden ermordet habe.
Er wusste auch, dass sie die Schlacht zwar überlebt hatten, der Krieg aber noch lange nicht vorbei war.
Vierter Teil
Der Wolf im Schafspelz
48.
»Was hat Ackerman gesagt? Wenn Sie denken wie sein Vater, finden Sie ihn? Was soll das heißen?«, fragte Andrew Garrison.
Marcus schüttelte den Kopf. Er konnte sich nicht konzentrieren, musste einen klaren Kopf bekommen. »Ich weiß es noch nicht, aber ich finde es heraus. Wir brauchen einen ruhigen Ort, wo wir alles überdenken können und über unsere nächsten Schritte entscheiden.«
Andrew nickte zustimmend. »Ich wüsste da etwas. Ein Hotel in der nächsten Stadt östlich von hier. Ich kenne den Inhaber gut. Ihm können wir vertrauen. Wir können uns dort verstecken, ausruhen, unsere Wunden lecken und in Ruhe über alles nachdenken.«
»Okay«, sagte Marcus. »Dann los.«
Beide waren der Meinung, dass Andrews Geländewagen zu auffällig war, deshalb nahmen sie den Wagen des ermordeten Bäckers Alexei und ließen Asherton hinter sich.
Eine knappe halbe Stunde später hielten sie vor dem Hotel. Andrew ging hinein und sprach mit seinem Freund. Nach kurzer Zeit kam er mit einem Verbandkasten und Zimmerschlüsseln zurück, die er Marcus und Maggie reichte. Sie vereinbarten, sich in vier Stunden wieder zu treffen und ihr weiteres Vorgehen zu besprechen.
Andrew ging in sein Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Marcus steckte den Schlüssel ins Schloss, doch Maggie berührte ihn am Arm und sagte: »Komm mit zu mir.«
Marcus schaute ihr tief in die Augen. Er wusste, was sie wollte. Sie hatte Fragen, die beantwortet werden mussten, sonst fanden ihre Gedanken keine Ruhe.
»In Ordnung«, sagte er, ging mit in ihr Zimmer und setzte sich aufs Bett. Maggie schloss hinter ihnen ab. Dann zögerte sie, als würde die Frage, die sie stellen wollte, alles zwischen ihnen verändern. Nervös kaute sie auf der Unterlippe. Schließlich blickte sie ihm fest in die Augen und fragte: »Wieso bist du kein Polizist mehr?«
Marcus hatte gehofft, nie wieder über diese Nacht sprechen zu müssen und irgendwo ein neues Leben anfangen zu können. Aber nun sah er ein, dass es völlig gleichgültig war, wie weit er floh, ganz konnte er seiner Vergangenheit niemals entkommen.
»Ich war Detective bei der Mordkommission«, begann er. »Einer der jüngsten, die es jemals in New York gegeben hatte. Ich war erfolgreich, machte mir einen Namen. Ich war ein aufsteigender Stern, hatte ein paar große Fälle gelöst und machte Schlagzeilen. Ich arbeitete hart und verdiente mir Respekt bei den Kollegen und Vorgesetzten. Aber dann änderte sich alles, als ich über diesen einen Fall stolperte …« Er verstummte.
»Welchen Fall?«, fragte Maggie. »Bitte, Marcus, ich muss es wissen.«
Marcus erzählte ihr von der Jagd auf einen vermeintlichen Mörder, dessen Tatmuster er entschlüsselt hatte, doch niemand im Morddezernat wollte ihm glauben. Also nahm er die Sache selbst in die Hand.
Und dann kam es zu der schicksalhaften Begegnung in der nächtlichen Gasse. Ein Aufeinandertreffen, das ihm noch heute Albträume bescherte.
»Was ist dort passiert?«, fragte Maggie.
»Ich wusste, dass der Mörder dort als Nächstes zuschlagen würde, wenn das Muster stimmte, das ich entdeckt hatte.« Marcus zögerte. »Irgendwie wusste ich, dass er in dieser Straße seine nächste Tat begehen würde. Ich habe es einfach … gespürt .«
Er rieb das Kruzifix, das er an einer Kette um den Hals trug, zwischen den Fingern. Dann fuhr er fort:
»Ich ging die Straße entlang, als ich einen Schrei hörte, den ich nie vergessen werde …«
***
Eine Nacht in New York, Jahre zuvor. Detective Marcus Williams musterte die verlassene Straße in beide Richtungen. Ihre Leere spiegelte seinen inneren Zustand wider. Wie konnte er in einer Millionenstadt leben und dennoch so einsam sein?
Doch wenn er tiefer in sich hineinschaute, sah er, dass Einsamkeit nicht das richtige Wort war. Er empfand etwas anderes, etwas, das über die
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