Ich bin die Nacht
leid, mein Freund«, sagte Andrew. »Ist nichts Persönliches.«
»Sie haben so getan, als wären Sie mein Verbündeter, und sind mir dann in den Rücken gefallen!«, stieß Marcus hervor. »Persönlicher geht es wohl kaum. Aber wenn es Ihr Gewissen erleichtert: Ich habe Ihnen nie über den Weg getraut. Ich wusste nur nicht mit Sicherheit, dass Sie ein falscher Hund sind, und mir blieb keine andere Wahl, als erst einmal mitzumachen.«
»Ich wollte nicht, dass es so ausgeht, glauben Sie mir«, erwiderte Andrew, »aber Sie und ich, wir wissen beide, dass man manche Kämpfe nicht gewinnen kann. Und Sie kennen sicher den Spruch: Wen du nicht besiegen kannst …«
»Den mache dir zum Freund. Ja, ich weiß. Können wir es einfach hinter uns bringen? Ich habe keine Lust mehr, mich mit einem Verräter wie Ihnen zu unterhalten.«
»Mir soll’s recht sein.«
Andrew und ein anderer Mann führten sie mit vorgehaltener Waffe über einen flachen, trostlosen Streifen Land, auf dem hier und da knorrige Sträucher wuchsen. Der Sheriff stand etwa hundert Meter von den Fahrzeugen entfernt. Er hatte ihnen den Rücken zugewandt und blickte über die Ebene hinweg. In der rechten Hand hielt er eine Pistole mit Schalldämpfer. Hoch über ihm kreiste ein Vogel mit dunkelbraunem Gefieder. Rechts von ihm klaffte ein offenes Grab im Erdreich.
Als Marcus und die anderen näher kamen, drehte der Sheriff sich zu ihnen um. Sein Gesicht war ernst und traurig. »Ah, Marcus. Wissen Sie, mein Junge, Sie erstaunen mich immer wieder. Die meisten Männer hätten längst aufgegeben, aber Sie nicht. Sie stellen sich Mächten entgegen, die Sie nicht kontrollieren können. Sie sind ins Feuer gegangen und wieder herausgekommen. Sie haben bewundernswert gekämpft, mein Sohn, und sind weit gekommen. Umso mehr es tut es mir weh, dass Sie am Ende doch scheitern mussten.«
»Mir kommen gleich die Tränen«, sagte Marcus und bedachte den Sheriff mit einem vernichtenden Blick. »Ich kann die Vergangenheit nicht ändern und die unschuldigen Menschen zurückbringen, die Ihnen in die Quere gekommen sind, aber ich werde dafür sorgen, dass Sie nie wieder jemanden verletzen.«
Der Sheriff schüttelte den Kopf. »Selbstbewusst bis zum Ende. Es tut mir wirklich leid, was passiert ist. Aber ich bin ein guter Soldat und habe meine Befehle. Manchmal müssen harte Entscheidungen getroffen werden, und man muss für das Wohl der Mehrheit einige wenige opfern. Wie ich Ihnen bereits gesagt habe, muss ich einen bestimmten Mann töten. Einen mächtigen Mann. Deshalb brauche ich jemanden, der dafür geradesteht. Als Ackerman entkommen ist, haben Sie Ihren eigenen Hals in die Schlinge gesteckt. Deshalb machen wir beide einen Ausflug nach San Antonio.«
Als er die Worte des Sheriffs verdaut hatte, drang ein verstörender Gedanke in Marcus’ Bewusstsein. Wenn ich nach San Antonio soll, für wen ist dann das Grab? Sofort dachte er an Maggie.
Offenbar kam Andrew Garrison zu dem gleichen Schluss. »Nach San Antonio?«, fragte er. »Warum sollte ich die beiden dann hierherbringen?« Garrison schaute in das offene Grab. Dann blickte er den Sheriff an. »Und wen wollen Sie hier begraben?«
Der Sheriff grinste ihn an. »Dreimal dürfen Sie raten.«
Andrew schwang die Waffe von Marcus weg und richtete sie auf den Sheriff, aber er war zu langsam.
Der Sheriff riss die schallgedämpfte Pistole hoch und feuerte drei Kugeln in Andrews Unterleib.
Andrew Garrison taumelte nach hinten und stieß ein pfeifendes Geräusch aus. Er versuchte etwas zu sagen, brachte aber nur unverständliches Gebrabbel zustande. Der Sheriff jagte ihm drei weitere Schüsse in die Brust. Die Wucht der Einschläge riss Garrison nach hinten. Schwer landete er auf dem Rücken. Ein Zittern durchlief seinen Körper. Dann lag er still.
Marcus schloss die Augen. Nahm das Morden denn gar kein Ende? Sein Magen verkrampfte sich.
So viel Schmerz. So viel Tod.
Der Sheriff blickte auf den Toten. »Verräter bringen es nicht weit«, sagte er, als könnte Garrison ihn noch hören. »Jedenfalls nicht bei einem Mann wie mir.«
Nach diesen Worten rollte er Garrisons Leiche in das offene Grab. Dann wandte er sich Maggie zu. »Was fange ich jetzt mit dir an, Mädchen?«, murmelte er und rieb sich das Kinn. »Ich wusste, dass du nicht einverstanden bist mit dem, was ich tue, aber ich hätte nie gedacht, dass du mich hintergehen würdest.«
»Du bist ein Mörder«, flüsterte sie.
Der Sheriff verzog keine Miene. »Nein, ich
Weitere Kostenlose Bücher