Ich bin die Nacht
schlagen.
Marcus durchsuchte die Gürteltaschen des bewusstlosen Deputys und fand Handschellenschlüssel. Er hoffte, dass die Schellen, die Andrew benutzt hatte, aus dem Bestand des Sheriffs stammten und die Schlüssel passten. Wenn nicht, müsste er die Schelle an seiner linken Hand und Maggies Fesseln knacken. Dazu müsste er sich ihr nähern, und er wollte ihr lieber Raum lassen.
Mit einer Schlüsseldrehung befreite er seine linke Hand und legte die Schellen auf den Körper des schlummernden Deputys. Den Schlüssel warf er Maggie vor die Füße. Sie griff nicht danach. Sie achtete nicht einmal auf ihn.
Marcus blickte über die trostlose Ebene, und Tränen stiegen ihm in die Augen. Wieder hatte er getötet. Zweifel überfielen ihn. Gab es eine andere Möglichkeit? Oder ist das meine Natur? Bin ich ein Killer? Dann dachte er an die Brubakers. Wenn er den Sheriff schon damals erschossen hätte, würden sie vielleicht noch leben.
Trotzdem hasste er sich für das, was er getan hatte.
Er starrte auf die Waffe in seiner Hand. Vielleicht sollte ich hier ein Ende machen. Einen endgültigen Abschluss. Zu Ende führen, was man anfängt.
Plötzlich kam ihm ein Gedanke.
Ackerman …
Er umfasste den Pistolengriff so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten, und schloss die Augen.
Was hat Ackerman unbeendet gelassen?
In Gedanken ging er das wenige durch, was er über den Killer wusste. Er wünschte, er hätte in die Fahndungsakte blicken können, statt nur Informationen aus zweiter Hand zu erhalten.
Schließlich tat er etwas, was er verabscheute: Er versuchte, sich in Ackerman hineinzuversetzen.
In einen Serienmörder.
Marcus war schon immer in der Lage gewesen, wie ein Mörder zu denken. Das war die andere dunkle Gabe, die ihn manchmal an seiner geistigen Gesundheit zweifeln ließ.
Was betrachtet Ackerman als unbeendet?, fragte er sich. Was b e tracht e ich als unbeendet?
Er dachte daran, wie er Ackermans Gesicht zum ersten Mal gesehen hatte – und in diesem Augenblick wusste er die Antwort. Die Erkenntnis überflutete seinen Verstand mit der Wucht eines Tsunamis.
Er öffnete die Augen und schaute Maggie an. Dorthin, wohin er jetzt gehen musste, konnte sie ihn nicht begleiten. Er überlegte, ob er ihr sagen sollte, dass er sich auf Ackermans Fährte setzen würde, entschied sich dann aber dagegen.
Er wandte sich um und rannte zu Alexeis Auto.
Hinter sich hörte er Maggies Rufe. Sie bat ihn, stehen zu bleiben und auf sie zu warten. »Du verstehst nicht, Marcus!«, rief sie.
Oh doch, er verstand. Er verstand nun alles, was er verstehen musste. Er wusste nun, wohin Ackerman verschwunden war. Er hatte den Killer entkommen lassen und dadurch schreckliches Leid verursacht. Aber jetzt würde er die Dinge in Ordnung bringen.
56.
Ackerman betrachtete das schlafende Paar. So friedlich. So heiter.
Er streckte die Hand vor und strich der Frau eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie regte sich und gab ein leises, maunzendes Geräusch von sich, schlief aber weiter. Er fühlte sich wie ein Gott, als er sie betrachtete. Er fühlte sich allmächtig. Ich habe es gegeben, und ich habe es genommen.
Er schaltete die Deckenlampe des Schlafzimmers ein und sagte: »Aufwachen.«
Der Mann hechtete zum Nachttisch. Seine Augen füllten sich mit Entsetzen, als er begriff, dass die Waffe, die dort gelegen hatte, verschwunden war.
Ackerman richtete die abgesägte Schrotflinte auf den Mann. »Wissen Sie, wer ich bin?«
»Ja«, sagte der Mann. »Das weiß ich. Du bist ein verrückter Hurensohn.«
Ackerman lachte auf. »Vielleicht haben Sie recht«, sagte er. »Jedenfalls sollten Sie wissen, Major, dass ich ein kleines Spiel mit Ihnen beiden erwogen hatte, aber leider ist meine Zeit begrenzt. Ich habe Wichtigeres zu tun. Kommen wir also gleich auf den Punkt. Wenn Sie wissen, wer ich bin, können Sie sich wohl auch denken, wieso ich vor Ihnen stehe. Sagen Sie mir, wo sie ist.«
Major Steinhoff riss die Augen auf. »Fahr zur Hölle, du Stück Dreck!«
»Aber, aber.« Ackerman schüttelte der Kopf. »Das werde ich vermutlich, aber im Augenblick sollten Sie sich lieber um Ihre eigene Seele sorgen.« Er schwenkte die Schrotflinte zu Steinhoffs Frau. »Ich erschieße Ihre Alte, ohne mit der Wimper zu zucken. Das wissen Sie doch, oder?«
»Na und? Soll ich etwa glauben, dass du uns leben lässt, wenn ich es dir sage?«
»Hören Sie gut zu. Ich bin ein anderer Mensch geworden. Eigentlich will ich Sie gar nicht töten. Das
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