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Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Titel: Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Willers
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Verteilungskämpfe ausgetragen werden. Der Luftraum blieb aber bisher friedlich. Und auch über den Kinderbetten konnte ich noch nicht viel mehr sichten als Licht und Luft und ab und zu ein harmloses Kissen. Abgesehen davon: Sollte dort ein Ufo auftauchen oder einfach nur ein bisschen dicke Luft, dann werde ich sicher nicht der SPD Bescheid sagen. Sondern selber die Lufthoheit übernehmen. Bis die Luft wieder rein ist.
    Ja, die Art, wie über uns Menschen mit Kindern gesprochen wird, ist mitunter recht abenteuerlich. Wörter aber beeinflussen unsere Stimmungen, unsere Wahrnehmungen und unsere Entscheidungen. Sie lenken unser Denken. Deshalb sollten wir genau hinhören.

Clevere Schönfärbereien: Wie aus weniger mehr wird.
    Es gibt Begriffe, die sehr gut klingen – aber eigentlich Mogelpackungen sind. Nehmen wir zum Beispiel den Erziehungsurlaub. Ich hatte viereinhalb Jahre Erziehungsurlaub. Und, soll ich Ihnen was sagen: Obwohl mein Urlaub so kolossal lang war, habe ich mich weder erholt noch bin ich besonders braun geworden. Im Gegenteil, nach viereinhalb Jahren Erziehungsurlaub war ich ziemlich blass um die Nase und außerdem total unausgeschlafen. Und ich bat meine Chefin, den Erziehungsurlaub beenden zu dürfen und mich wieder arbeiten zu lassen. Ich glaube, die Leute in Berlin haben auch gemerkt, dass der Erziehungsurlaub nicht hält, was er verspricht. Für viele Mütter war diese Art von Urlaub nämlich nicht nur nicht erholsam, sondern auch eine Reise ohne Rückfahrschein: Nach der Babypause wurde ihnen gekündigt! Deshalb wurde das Ganze vor einiger Zeit umgetauft in: Elternzeit.
    Unbedarfte Menschen meinen nun vielleicht, Elternzeit sei die Zeit, die Eltern haben, um mal zusammen ins Kino zu gehen oder romantisch zu essen. Aus gut informierten Kreisen weiß ich allerdings, dass dies nicht unbedingt zutrifft. In der Elternzeit, sagen meine Freundinnen mit kleineren Kindern, ist man genauso unausgeschlafen wie im Erziehungsurlaub. Der große Unterschied ist allerdings: Jetzt sind auch immer mehr Väter blass um die Nase.

    Ebenfalls in die Abteilung Mogelpackung gehört die frühkindliche Bildungsstätte . Die frühkindlichen Bildungsstätten, in denen meine Kinder sich aufhielten, sahen so aus: Es gab viele Kinder und wenig Erzieherinnen. Das nennt man Betreuungsschlüssel. Wurde eine Erzieherin krank, gab es meistens keine Vertretung. Das wiederum nenne ich ärgerlich. Denn nun musste die frühkindliche Bildung leider ausfallen. Dafür wurde gespielt, was ich als Mutter gar nicht mal so tragisch fände, würde nicht ständig behauptet, ohne frühkindliche Bildung ließe man entscheidende Lernfenster ungenutzt verstreichen. Ich bin deshalb dafür, dass man die frühkindliche Bildungsstätte weiter Kindergarten nennt. Oder meinetwegen auch Kita. Das ist ehrlicher!
    Sprachforscher nennen diese verbalen Schönfärbereien übrigens Euphemismen. Euphemismen sind sehr gut, wenn man eine Wahl gewinnen will. Und deshalb lieben Politiker Euphemismen – nicht nur die aus dem Familienministerium. Sie sprechen von Entsorgungsparks und meinen Atommüllanlagen. Sie sprechen von Seniorenresidenz und meinen Altenheim. Und sie reden im Radio von drohendem Nullwachstum und bringen Mütter von Grundschulkindern in unmögliche Situationen.
    »Mama«, fragte Clara neulich, »wie geht das, wenn eine Null wächst?« Wir rechneten: Null mal null ist null. Null mal sieben ist auch null. Und zwei Nullen nebeneinander bedeutet nicht Wachstum, sondern WC.
»Die im Radio können nicht rechnen!«, sagte Clara. Und ich wusste genau, was sie dachte: Wieso müssen wir Kinder das Einmaleins üben, wenn die Großen, die fünfmal so alt sind, das noch nicht mal können??

Kleine Gemeinheiten. Oder: Wie man Gutes schlechtmacht
    Manchmal machen Wörter die Dinge schöner, als sie eigentlich sind. Manchmal aber auch schlechter. Nehmen wir zum Beispiel die Rabenmutter . Menschliche Rabenmütter tun ja bekanntlich schreckliche Dinge. Sie finden, dass ihr Erziehungsurlaub irgendwie nicht das ist, was er verspricht, und suchen deshalb einen Betreuungsplatz in einer frühkindlichen Bildungsstätte, um wieder berufstätig sein zu können. Rabenmütter haben sich schlecht zu fühlen. Und wenn sie sich nicht schlecht fühlen, dann sind sie ganz schlimme Rabenmütter.
    Das Paradoxe dabei ist: Richtige Rabenmütter sind gar keine Rabenmütter. Das weiß ich deshalb so genau, weil ich vor Kurzem eine kennengelernt habe: Ich war gerade dabei, mit Jette

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