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Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Titel: Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Willers
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einen Hut kriegen, die nicht unter einen Hut passen. Die gute Nachricht: Bis aus einem Punkt eine vierköpfige Familie wird, hat man Zeit zu üben. Im Folgenden deshalb eine kurze Einführung in die Familiengeometrie.

LEKTION 1: Rot-grüne Koalitionen. Oder: Wie aus zwei Punkten eine Verbindung wird
    Als Jochen und ich zusammenzogen, mussten wir ein paar Dinge klären: etwa, wie man eine Knäckebrotverpackung aufreißt. Oder wie die Wohnzimmerwand aussehen
soll. Ich wollte Dunkelrot. Jochen fand das unterirdisch. Und merkte an, dass unser tomatenrotes Ledersofa doch dann gar nicht mehr passe. Dieses Argument zog bei mir – zumal es deutlich unaufwendiger war, eine Wohnzimmerwand nicht dunkelrot zu streichen, als ein Sofa neu zu beziehen. Wir ließen die Wohnzimmerwand also weiß. Dafür erklärte sich mein toleranter Mann bereit, meinem Wunsch nach Farbe wenigstens in der Küche nachzugeben: So kam es, dass wir jahrelang mit einer apfelgrün gestrichenen Waschmaschine lebten (doch!) – und weil alle dachten, Apfelgrün sei nun meine Lieblingsfarbe, bekamen wir noch einen apfelgrünen Toaster geschenkt, sechs apfelgrüne Kaffeebecher und eine grüne Spülbürste. Ich glaube, die grüne Phase war für Jochen schwer zu ertragen. Und ich liebe meinen Mann für sein Nachsehen. Ich weiß auch, dass die rot-grüne Koalition damals ein vergleichsweise einfacher Einigungsprozess war.

LEKTION 2: Wenn zwei das Gleiche wollen, freut sich der Dritte. Oder: Warum Dreiecke eine schräge Sache sind
    Kriegt ein Paar ein Kind, wird aus der Linie eine Dreiecksbeziehung – wobei die Spitze des Dreiecks für gewöhnlich ein klitzekleines Baby mit ungeahnten Kräften ist. So brachte es Clara mit sechs Wochen fertig, dass ihr Papa an einem wunderschönen Sommersonntag im August
drei geschlagene Stunden in der Notfallambulanz der Kinderklinik saß, weil unser Kind über Nacht Pickel gekriegt hatte. Pickel gelten normalerweise nicht als Notfall. Jochen aber war überzeugt, dass es sich mindestens um Masern, wahrscheinlich aber um eine seltene Hautinfektion handeln musste, von deren dramatischen Verläufen Google zu berichten wusste. Am Ende handelte es sich um eine banale Neugeborenenakne, die mit nichts behandelt werden musste – außer mit ein bisschen Geduld. Aber als Jochen das erfuhr, war der wunderbare Sommertag schon rum und unser ursprünglicher Plan, gemeinsam an den See zu fahren, im Eimer.
    In unserem ersten dreieckigen Sommer taten wir noch mehr merkwürdige Dinge: Wir lungerten nicht nur in Notfallambulanzen herum, sondern klopften auch zu nachtschlafender Zeit an bereits verschlossene Eisdielentüren – und baten das bodenwischende Personal um zwei Kugeln Stracciatella. Dabei schuckelten wir unser Kind abwechselnd im Tragesack und hatten nur einen Wunsch: Es möge endlich einschlafen!
    Oder wir vergaßen an 37 Donnerstagen hintereinander, im Kino zu gucken, was es Neues gab – obwohl wir zu kinderlosen Zeiten beinahe jeden Donnerstag ins Kino gegangen waren. Kurz: Alles drehte sich um unsere kleine Fremdbestimmerin. Und ziemlich wenig um uns als Paar. »Klassischer Anfängerfehler«, würden Familienforscher dazu sagen – und an dieser Stelle auf Großväter, Großmütter und andere nette Menschen hinweisen, die sich ab und zu um das Baby, seinen
Schlaf und seine Pickel kümmern und dem Dreieck die Spitze nehmen.
    Ich halte das durchaus für eine gute Idee. Langfristig haben Jochen und ich uns jedoch für eine andere Lösung entschieden.

LEKTION 3: Wir sind vier. Oder: Warum quadratisch oft praktisch ist. Und meistens auch gut!
    Wenn man ein Dreieck gegen ein Viereck tauscht, geht die Sache mit den ominösen Kinderkrankheiten, den Nachtwanderungen und dem Kinoverzicht von vorn los. Kurzfristig macht das die Sache komplizierter, nach einer Weile hat so ein Viereck aber Vorteile. Der wichtigste: Quadrate sind eine ziemlich stabile Konstruktion. Man kann sie beispielsweise so in der Mitte teilen, dass auf jeder Seite zwei Punkte sind. Nehmen wir nur den Samstagmorgen. Der Samstagmorgen beginnt für Jochen und mich fast immer fremdbestimmt. Etwa gegen 7 Uhr 15 pflegen bei uns nämlich vier durchtrainierte Kinderbeine zum Sprung anzusetzen. Ihr Ziel ist das Elternbett. Und das Ergebnis sind zwei plattgedrückte Erziehungsberechtigte, die sich eben noch in ihren Träumen auf einer einsamen Insel wähnten, jetzt aber jäh mit der Realität konfrontiert werden: Kinder, die sofort Popsies frühstücken wollen. Und danach Krach

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