Ich bin ein Genie und unsagbar böse
ein beeindruckendes Leben zurückblicken und haben in der Vergangenheit bedeutende Dinge getan - allein ihre Trunksucht hat sie straucheln lassen. Wieder clean geworden, sind sie oft verzweifelt darauf aus, sich vor den Augen der Welt zu rehabilitieren.
Als ich Lionel Sheldrake das erste Mal zu Gesicht bekam, war er seit 93 Tagen trocken und roch wie ein zu lange gebratenes Lammkotelett ( siehe Bild 5 ). Ich war sofort beeindruckt von seinem Knochenbau und seiner gepflegten Erscheinung - er würde eine hervorragende Figur abgeben. Seine Kleider waren alt, aber von guter Qualität (sah mir nach Brooks Brothers aus). Ich stieg also aus der Mülltonne, aus der ich ihn beobachtet hatte, und fragte den guten Mann, ob er einem kleinen Jungen helfen könne, zu seiner Schule zurückzufinden. Der gute Mann sagte Ja.
Während wir nebeneinanderher gingen, stellte ich ihm eine Reihe blöder Fragen, wie Kinder es tun, und merkte mir rasch seinen Namen. Er hatte einen schönen vornehmen Klang. Und ich mochte seinen Dialekt. Er verschluckte die Vokale, wie dies in den privaten Eliteschulen New Englands üblich ist. Ich hatte meinen Mann gefunden. Als wir uns an der Eingangstreppe der Schule verabschiedeten, drückte ich ihm fünftausend Dollar in die Hand. »Kauf dir einen neuen Anzug und geh zum Friseur«, sagte ich ihm. »Wir sehen uns morgen Mittag um zwölf vor der Kirche.« Er blinzelte und starrte dann mit weit aufgerissenen, erschrockenen Augen das Geld an - ungefähr als hätte ein Schmetterling soeben einen Smaragd in seine Hand geschissen. Ich streckte mein kleines Patschhändchen aus und schloss seine Finger um die Geldscheine: »Ein kleiner Vorschuss, nichts weiter.« 22 Dann ging ich ins Schulgebäude.
Bild 5 : Als ich Lionel Sheldrake das erste Mal zu Gesicht bekam, war er seit 93 Tagen trocken und roch wie ein zu lange gebratenes Lammkotelett.
Am nächsten Tag verspätete er sich um eine Stunde, und als er endlich auftauchte, war er betrunken. Ich konnte ihm das nicht vorwerfen. Schließlich kommt es nicht oft vor, dass einem siebenjährige Jungen mir nichts, dir nichts fünftausend Dollar schenken. Später erzählte er mir, ich hätte ihm solch einen Schrecken eingejagt, dass er sich zunächst geschworen habe, nicht wiederzukommen, doch Neugier und Geldgier hätten ihn bewogen, es sich anders zu überlegen. Wie schön. Durch eine kleine Internetrecherche habe ich herausbekommen, dass derselbe Lionel Sheldrake, der als ehemaliger Säufer in einem heruntergekommenen Viertel haust, früher Direktor eines Versicherungskonzerns war und ein eigenes Haus in Happy Hollow besaß - bevor er mit dem Trinken anfing und alles verlor. Aufgewachsen in einem gutbürgerlichen Vorort von Connecticut, später Absolvent der Cornell University. Seine Vorfahren
kamen angeblich an Bord der Mayflower ins Land - all der Blödsinn, der sich gut in den Zeitungen macht. Ich hatte eine perfekte Wahl getroffen.
Ich verpasste ihm eine neue Frisur. Ich kaufte ihm einen neuen Anzug. Ich ließ ihn ein paar Verträge unterschreiben. Und so dauerte es nicht lange, bis die Leute sagten, Lionel Sheldrake sei ein bedeutender 23 Mann.
In Wahrheit ist er ein echter Jammerlappen, dessen Entschuldigungen ich langsam leid bin. »Beefheart«, knurre ich, während Sheldrake weitersabbelt. Irgendwo in den Tiefen meines Kontrollzentrums hört ein Untergebener meinen Befehl und führt ihn aus. Im nächsten Moment dröhnen die schrägen Klänge meines Lieblingssongs »Adaptor« von Captain Beefheart and His Magic Band durch das Gewölbe und übertönen Sheldrakes Gejammer. Ein breites Grinsen zieht mein Gesicht auseinander. Niemand versteht mich so gut wie der Captain.
Doch plötzlich runzele ich die Stirn. Die Alarmanlage hat sich eingeschaltet und wiederholt mit monotoner Roboterstimme: »Daddy ist nach Hause gekommen. Daddy ist nach Hause gekommen. Daddy ist nach Hause gekommen.«
Kapitel 5
Mein Hund Lollipop
Ginge es nach der Logik der Glückskekse, nach der die meisten Leute ihr Leben ausrichten, wären die besten Dinge im Leben umsonst. Totaler Quatsch. Ich habe einen vergoldeten Roboter, der meinen Rücken an genau den Stellen kratzt, die ich mit meiner eigenen Hand nicht erreiche, und der war absolut nicht umsonst.
Billig können die besten Dinge im Leben allerdings durchaus sein. Für meinen Hund Lollipop mussten wir dem Tierheim nur dreiundfünfzig Dollar Adoptionsgebühr zahlen. Ich habe sie dort entdeckt, als sie drei Monate alt war. Sie
Weitere Kostenlose Bücher