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Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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das Opfer vor dem Sturz auf dem Geländer gesessen hatte. Die Wasserschutzpolizei kümmerte sich bis zum Eintreffen der Spurensicherung um den Frachter. Eine geringe Chance bestand, den Täter noch in der Nähe zu finden. Eine sehr geringe. Der Römer, zentraler Platz und Touristenattraktion, umgeben von verwinkelten Gassen und mit Anschluss an das U-Bahnnetz, war nur einen Katzensprung entfernt. Dort war bereits eine Fußstreife unterwegs. Selbst wenn man sich Zeit ließ, schaffte man die Strecke zwischen Steg und U-Bahn in weniger als zehn Minuten. Ein sportlicher Mann brauchte höchstens fünf, wenn er sich auskannte. Und davon war auszugehen. War die U-Bahn erst einmal erreicht, konnte sich der Flüchtende entspannen. Verbindung zum Hauptbahnhof mit seinem riesigen unterirdischen Verkehrsnetz, zahllosen Geschäften, Gleisen und Tunnels bestand beinahe im Minutentakt.
    Der Wagen kroch über den Mainkai, während sie aufmerksam die Straße absuchten. Die Passanten schlenderten gemächlich dahin. Keine Einzelpersonen, die Anzeichen von Eile zeigten, keine hastigen Bewegungen. Jede Menge dunkle Pullover, in Schülergruppen zumeist.
    »Wenn ich verschwinden wollte, würde ich mich da einfach dazwischenmogeln.« Alexandra kniff die Augen zusammen. »Oder ich würde mich umziehen. Das ist es – wir suchen jemanden, der nur im T-Shirt oder Hemd unterwegs ist, denn einfach ausziehen geht am schnellsten!«
    »Stimmt zwar, aber ein Striptease auf offener Straße erregt um diese Jahreszeit Aufmerksamkeit«, gab Mischa zu bedenken. »Vor allem, wenn er den Pullover dann nicht bei sich behält, sondern ihn wegschmeißt.«
    »Also braucht er ein Versteck. Eine dunkle Ecke, ein … Stopp! Zurück – ich habe den perfekten Ort gefunden!«
    Mischa warf einen schnellen Blick in den Rückspiegel und auf die Gegenfahrbahn, dann wendete er.
    »Halt an! Jede Wette, dass er da drüben abgetaucht ist.«
    Alexandra sprang aus dem Wagen, tänzelte durch den Verkehr, den sie nur mit ausgestreckter Hand und dank ihrer Uniform auf Abstand halten konnte. Unter dem Baugerüst, das die Leonhardskirche umschloss und mit flatternden Planen verhüllte, verschwanden feuchte Fußspuren im Bauschutt. Sie wich einer Pfütze aus und folgte ihnen außerhalb der Planen, um sie nicht zu verwischen, bis zu der Stelle, an der der Flüchtige offenbar wieder unter der Absperrung hervorgetreten war. Undeutlich erkannte sie zwei staubige Teilabdrücke von Turnschuhen, die anzeigten, dass er um die Kirche herumgelaufen war. Dahinter führte die Straße in einem Bogen weiter zum historischen Museum und somit zur U-Bahn hinter dem Dom. Da die Kollegen der Fußstreife ihn dort nicht erwischt hatten, war es das. Ende der Verfolgungsjagd.
    Trotzdem freute Alexandra sich, ihr Spürsinn hatte sie in die richtige Richtung geführt. Aus der Gürteltasche zog sie ein Paar Handschuhe. Eigentlich zur Aids-Prävention, aber zugleich auch Schutz vor Verunreinigung von Beweismitteln. Sie schlüpfte hinein und fischte hinter der Plastikfolie vorsichtig ein dunkles Bündel aus einer Mauernische. Triumphierend drehte sie sich mit ihrer Beute zu Mischa um. Er nickte anerkennend und griff zum Funkgerät. Noch mehr Arbeit für die Spurensicherung.
    * * *
     
    Er heulte auf, in einer Mischung aus Scham und Enttäuschung. Er hatte die Dreistigkeit besessen, Ihn zu bestehlen. Doch nun war das Objekt seiner Begierde verloren. Durch seine eigene Dummheit. Er spürte noch die elektrisierende Wirkung des Gewebes auf seiner Haut. Jede Körperzelle hatte sich mit reinem Glück gefüllt. In der Erinnerung richteten sich die Härchen auf seinen Armen auf. Seine Nasenflügel blähten sich leicht und er glaubte, den Geruch wieder einatmen zu können. Doch da war nichts. Es war überheblich gewesen, zu denken, er könne es Ihm gleich tun. Er hatte versagt. Um seine eigene jämmerliche Person zu retten, hatte er Sein Eigentum opfern müssen. Und dann war schon wieder diese schreckliche Frau gekommen und nun hielt sie es in ihren Händen. Sie bedrohte ihn. Schlagartig begriff er, dass es noch viel schlimmer war. Sie bedrohte den Meister.
    Und das war seine Schuld!
    * * *
     
    Unwillig schob Robert Wagner die Computermaus über den Schreibtisch. Er hasste es, wenn Ereignisse keinen Sinn ergaben. Und dieses hier ergab ganz sicher keinen.
    Der kleine drahtige Mann mit dem festen Händedruck und den aufmerksamen grauen Augen war bekannt für seine schnelle Auffassungsgabe und eine hohe

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