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Ich bin eine Nomadin

Ich bin eine Nomadin

Titel: Ich bin eine Nomadin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayaan Hirsi Ali
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Recht wichtiger ist als Loyalität zur amerikanischen Verfassung und dass eine amerikanische Muslimin nicht mehr als ein Minimum an Bildung und eine arrangierte Heirat mit dem eigenen Vetter braucht? Warum leben diese Menschen in Amerika, wenn sie wollen, dass Mädchen ungebildet bleiben?
    In diesem Zusammenhang muss man bedenken, dass muslimische Schulen etwas anderes sind als staatlich anerkannte christliche oder jüdische Schulen. Diese Schulen sind von ihrem Selbstverständnis her christlich oder jüdisch, halten sich aber an einen säkularen Lehrplan. Muslimische Schulen hingegen gleichen mehr oder weniger den Koranschulen oder Medresen, die Religion stärker als jedes andere Fach gewichten. Den Schülern wird beigebracht, sich von den Werten Freiheit, Verantwortung des Einzelnen, Wissenschaft und Toleranz zu distanzieren. Mit der Gründung einer muslimischen Schule an einem beliebigen Ort auf der Welt, aber vor allem im Westen, verschaffen sich reiche Wahhabiten und andere muslimische Extremisten eine Gelegenheit, Gruppen empfänglicher Kinder zu isolieren und zu indoktrinieren.
    Amira, meine beste Freundin in meiner Kindheit in Kenia, kam aus einer jemenitischen Familie. Sie lebten in Nairobi noch genauso, als wären sie im Jemen. Amira durfte zwar eine Schule – eine muslimische – besuchen, musste aber einen Mann aus dem Jemen heiraten, der weder lesen noch schreiben konnte und ihr nicht den geringsten Respekt entgegenbrachte. Ihre Cousine Muna war außerordentlich intelligent (mit elf Jahren wurde sie Siebte bei einer landesweiten Prüfung), aber mit fünfzehn wurde sie mit einem korpulenten Mann verheiratet, der doppelt so alt war wie sie und sie nach Saudi-Arabien mitnahm.
    Amira und Muna waren wie so viele muslimische Mädchen in den Augen ihrer Familien nichts anderes als Brutapparate für Söhne. Sie hatten keinen eigenen Wert und praktisch keine Wahlmöglichkeiten. Das ist die Realität, die sich hinter einem idyllischen Weichzeichnerfoto von drei kleinen Mädchen in Dschilbab auf einem Sofa in Amerika verbirgt.
    Die Mehrzahl der Muslime in Amerika ist heute zweifellos anders als die Mehrzahl der Muslime, die in Europa leben. Weil sie hauptsächlich über die Flughäfen ins Land kommen, also mit einem Visum, wurden sie bereits einer Art Vorauswahl unterzogen, die ihr Bildungsniveau, das Vermögen und die Sprachkenntnisse einbezieht. In Amerika erfolgt diese Prüfung viel konsequenter als in Europa. Man legt größeren Wert auf die Fertigkeiten eines Einwanderers und auf seinen Nutzen für das Gastland. In Europa hingegen geht es in erster Linie darum, welchen Nutzen der Einwanderer von der Einreise haben wird. Schon wegen der geografischen Nähe gelingt es vielen Muslimen, illegal nach Europa zu gelangen, oder zumindest ohne größere Kosten, und nach niederen Jobs Ausschau zu halten. Dieser Unterschied bedeutet aber keineswegs, dass muslimische Mädchen in Amerika nicht unterdrückt würden, sondern heißt lediglich, dass Muslime in den Vereinigten Staaten mit einer größeren Wahrscheinlichkeit der Mittelschicht angehören und fließend Englisch sprechende Akademiker sind, die sich bewusst dazu entschlossen haben, einige grundlegende amerikanische Wertvorstellungen zu übernehmen.
    Wegen der strengen Visabestimmungen ist es für einen männlichen Einwanderer in Amerika viel schwieriger, später eine neue Braut aus dem Heimatland zu holen, was in Europa gang und gäbe ist. Folglich läuft der unablässige Import fügsamer, frischer Bräute aus dem Hinterland Marokkos oder der Türkei nicht so reibungslos wie in Europa. Amerikanische Muslime heiraten andere amerikanische Muslime – ein weiterer Grund, weshalb muslimische Frauen hier in einer besseren Position sind.
    Verschleierte Schulmädchen sind allerdings ein unverkennbares Zeichen für den Vormarsch eines neuen fundamentalistischen Islam. In Amerika sieht man sie viel seltener als in Europa auf der Straße, aber ihre Zahl nimmt erkennbar zu. Und mittlerweile sieht man auch in amerikanischen Städten häufig junge Frauen in langen Kleidern oder Umhängen und mit Kopftuch, meist einen Kinderwagen vor sich. Der Anstieg der Zahl der Muslime (ob sie nun Touristen, amerikanische Einwohner oder Staatsbürger sind), die bewusst ihre Frömmigkeit zur Schau stellen, ist ein Gradmesser sowohl für ihre eigenen Überzeugungen als auch für den verstärkten Versuch, gesellschaftliche Kontrolle über jene Frauen auszuüben, die angeblich leicht vom rechten

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