Ich bin eine Nomadin
Land und bis heute in anderen Ländern für die Verbreitung der Vorstellung kämpften, dass alle Menschen frei und gleich geboren sind. Außerdem gehört es zur amerikanischen Geschichte, dass die amerikanische Bürgerrechtsbewegung letztendlich friedlich die unzähligen Formen der Diskriminierung von Afroamerikanern überwand, die noch lange nach dem Ende der Sklaverei Bestand hatten. Aus der Perspektive eines relativ neuen Einwohners ist das eigentlich gar keine schlechte Leistung. Aber offenbar haben viele Studenten etwas anderes gelernt.
An einer Hochschule nach der anderen wunderte ich mich über diese selbstsicheren jungen Männer und Frauen: Sie waren in den Vereinigten Staaten zur Welt gekommen und hatten so offensichtlich sämtliche Vorzüge der westlichen Bildung genossen, trotzdem waren sie entschlossen, die grundlegenden Unterschiede zwischen einer theokratischen und einer demokratischen Einstellung zu ignorieren. Ich war selbst einmal so wie sie gewesen, in der Zeit, als auch ich ein Kopftuch getragen und danach getrachtet hatte, zu gehorchen und mich mit meinem ganzen Sinnen und Trachten unterzuordnen, statt Fragen zu stellen und zu sagen, was ich dachte. Aber ich habe auch das Gefühl, dass es zwischen diesen Studenten und mir in jüngeren Jahren einen Unterschied gibt. Diesen Studenten fehlt anscheinend eine elementare, menschliche Empathie für andere muslimische Frauen, für Frauen genau wie sie, die aber nicht öffentlich das Wort ergreifen, ja nicht einmal zur Schule gehen dürfen. Würden diese College-Mädchen mit ihren schicken Kopftüchern in Saudi-Arabien unter der Scharia leben, könnten sie nicht frei ihren Studienplatz wählen, arbeiten, Auto fahren oder spazieren gehen. In Saudi-Arabien sind Frauen in ihrem Alter und jünger in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, werden zur Heirat gezwungen, und wenn sie außerehelichen Geschlechtsverkehr haben, werden sie zu Gefängnisstrafen verurteilt und verprügelt. Nach dem Koran hat ein Mann das Recht, seine Frau zu schlagen und zu entscheiden, ob sie arbeiten oder auch nur das Haus verlassen darf. Er darf andere Frauen heiraten, ohne sie um ihre Zustimmung zu bitten, und wenn er beschließt, sich von einer Frau scheiden zu lassen, hat sie nicht das Recht, sich dagegen zu wehren und ihre Kinder zu behalten. Spielt das für diese klugen jungen Musliminnen in Amerika denn überhaupt keine Rolle?
Ich sah mich dann immer in den üppig ausgestatteten Hörsälen der amerikanischen Eliteuniversitäten um, die in so vieler Hinsicht reich sind, und dachte an die vielen kleinen Tragödien, die sich dort abspielten. Diese jungen Menschen, die nichts anderes als persönliche Freiheit, liberale Bildung und ökonomische Chancen erlebt hatten, könnten zu den Protagonisten demokratischer Wertvorstellungen werden, zu den Bannerträgern eines neuen, moderneren Islam, indem sie »muslimische« Merkmale mit westlicher Offenheit kombinieren. Aber obwohl sie eindeutig die beste Bildung genießen, weigern sie sich, der Realität ins Gesicht zu sehen, zu erkennen, dass etwas nicht unbedingt richtig sein muss, nur weil es in einem Buch geschrieben steht. Stattdessen halten sie hartnäckig an einer Schwarz-Weiß-Sicht des Islam fest. Sie konzentrieren sich ganz darauf, das Ansehen des Propheten Mohammed, eines toten Mannes, gegen irgendwelche »Kränkungen« zu verteidigen.
Warum, so fragte ich mich, organisierten sie sich nicht zur Verteidigung anderer Muslime, anderer Frauen? Obwohl viele von ihnen Colleges besuchten, an denen das erzieherische Ethos um die Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Solidarität mit Armen und Entrechteten herum aufgebaut ist, wurden die Leiden der Frauen unter dem Islam schlichtweg ignoriert.
Es gibt an den Hochschulen Gruppierungen jeder Couleur, aber nicht eine für Mädchen, die vor dem Islam flüchten, keine Gruppe, die für die Rechte muslimischer Frauen kämpft. Wenn im Namen des Islam Gewalt ausgeübt wird, halten die studentischen Aktivisten brav den Mund. Selbst wenn Muslime andere Muslime in die Luft sprengen, die eine andere Auslegung dieser angeblich so »friedlichen« Religion vertreten, oder wenn Kinder als Selbstmordattentäter missbraucht werden, selbst wenn eine fromme Muslimin, die sich nach einer Vergewaltigung an die Behörden wendet, mit der Begründung, sie habe außerehelichen Geschlechtsverkehr gehabt, zur Steinigung verurteilt wird – in all diesen Fällen schweigen die Studenten.
»Der Islam stellt ein Problem
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