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Ich bin eine Nomadin

Ich bin eine Nomadin

Titel: Ich bin eine Nomadin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayaan Hirsi Ali
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wurde. Warum ausgerechnet der Schleier und nicht Bildung oder Gesundheit, Sexualität, wirtschaftliche und juristische Verhältnisse, die religiöse Gleichberechtigung und Gleichberechtigung der Geschlechter? Diese Themen sind zugegebenermaßen heikler als ein kulturelles Aushängeschild. Sie gehören in ein komplexes Geflecht historischer und politischer Dynamiken und Interaktionen, das uns mit den Worten von Lila Abu-Lughod auffordert, »über unsere eigene größere Verantwortung nachzudenken, um jene Formen globaler Ungerechtigkeit anzusprechen, die mächtige gestaltende Kräfte der Welt sind, in der [muslimische Frauen] sich wiederfinden.
    Und so fort. Kaum hatte der Text eine interessante These aufgestellt, da verlor er sich in akademischen Phrasen. Sämtliche Annahmen waren entweder moralisch oder faktisch leer. Das fängt schon damit an, dass der Begriff »kolonialer Feminismus« fälschlich unterstellt, dieser angebliche Zweig des Feminismus unterwerfe Frauen, statt sie zu befreien. Die Sorge um die Not muslimischer Frauen hatte nicht das Geringste mit der ursprünglichen, europäischen Kolonisation der sich entwickelnden Welt, wie man heute sagt, zu tun. Das Ringen um Afrika war ein gnadenloser Wettbewerb mit dem unverhohlenen Motiv, Gold und Ruhm zu erlangen, nicht kleine Mädchen zu emanzipieren.
    Ein bedeutender Nebeneffekt der Kolonialherrschaft war jedoch, dass europäische Länder ihre politische und rechtliche Infrastruktur in viele muslimische Länder importierten, was die Lage der Frauen erheblich verbesserte. Indem die ehemals kolonisierten Völker dies ignorieren und fortwährend einseitig auf koloniale Unterdrückung und weißes Sendungsbewusstsein verweisen, wollen sie nur von ihren eigenen Fehlern ablenken und jegliche Kritik abwehren. Nach dem Abzug der Kolonialmächte führten viele Länder die Scharia wieder ein – stets anfangs als »Familienrecht« (soll heißen: Frauenrecht) –, und in allen Fällen verschlechterte sich prompt die Lage der Frauen.
    Die Vorstellung, ein sogenannter kolonialer (gelegentlich auch »neokolonialer«) Feminismus sei ein Vorwand für George W. Bushs Krieg gegen den Terror gewesen, hält einer genaueren Prüfung ebenfalls nicht stand. Das ist ungefähr das Gleiche wie das Gerede von einer jüdischen Weltverschwörung: ein Versuch, anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben. Zur Zeit der US-Invasion im Irak war ich Abgeordnete des niederländischen Parlaments in einer Partei, die Regierungsverantwortung trug. Als wir über die Frage diskutierten, ob man für oder gegen den Krieg stimmen sollte (ich stimmte dafür), ging es um Massenvernichtungswaffen und die Weigerung Saddam Husseins, internationale Atominspektoren ins Land zu lassen. Genau wie bei der Invasion in Afghanistan nannte kein Mensch die muslimischen Frauen und ihre Befreiung als Kriegsgrund. Damit nicht genug: Als die Vereinigten Staaten Afghanistan und dem Irak neue Verfassungen gaben, ließen sie die muslimischen Geistlichen gewähren, die das Familienrecht der Scharia unterstellten.
    Die Behauptung, mit Kritik am Islam diffamiere man gläubige Muslime, ist gleichfalls ein Scheinargument. Wenn ich George Washington kritisiere, diffamiere ich noch lange nicht die Amerikaner; wenn ich bedaure, dass Abraham den Pharao angelogen hat, als er erklärte, seine Frau sei seine Schwester, beschmutze ich nicht die Juden – oder in diesem Fall die Muslime, die Abraham ebenfalls als Stammvater betrachten. Aber eine Religion wie der Islam, die sich auf ein Buch gründet, den Koran, das den Frauen elementare Menschenrechte verweigert, ist rückständig, und das auszusprechen ist keineswegs eine Beleidigung, sondern eine Meinung. Wenn die Kritik berechtigt ist, dann wird das Leid der Opfer nur noch größer, wenn man die Ansichten des Buchs und die daraus resultierende Praxis, Frauen zu schikanieren, einfach ignoriert. Meine Anschauung diffamiert nicht die Muslime, die diese Überzeugung nicht teilen oder nicht selbst Frauen unterdrücken.
    Ganz ähnlich übertrieben viele Verteidiger des Islam an Hochschulen fortwährend voller Abscheu die Geschichte der Vereinigten Staaten in puncto Bürgerrechten: die Vernichtung und Vertreibung der Ureinwohner; den Sklavenhandel, die absurde und grausame Rassentrennung. Diese Gräueltaten sind eine Tatsache. Aber es ist auch eine Tatsache, dass die Vereinigten Staaten, insbesondere im Vergleich mit anderen entwickelten Nationen, an vorderster Front zunächst im eigenen

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