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Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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Unverständnis ist irgendwann der Verzweiflung gewichen. Eine der Abmachungen mit dem Sheriff war es jedoch, nichts zu sagen, weder zu ihr, noch zu mir.«
    Ben schenkte ihm wortlos eine weitere Tasse Kaffee ein.
    » Matt kehrte nach seiner Grundausbildung in Fort Polk in Louisiana heimlich nach Hause zurück. Die Army gestand allen, die nach Vietnam gingen, noch ein paar Urlaubstage zu. Die beiden haben die gesamte Zeit in seinem Zimmer verbracht, und ich hoffe, dass jede einzelne Minute ein ganzes Jahr für sie war, obwohl ich weiß, dass es normalerweise eher umgekehrt ist. Anderthalb Monate nach seiner Abreise kam Karen zu mir, um mir zu sagen, dass sie schwanger ist. Sie hat es dem Jungen auch geschrieben. Eine Antwort hat sie nie erhalten, denn kurz darauf kam die Nachricht, dass er gefallen sei.«
    » Und was ist aus ihr geworden?«
    » Karen war eine starke Frau. Als ihr Vater erfuhr, dass sie schwanger war, versuchte er mit allen Mitteln, sie zu einer Abtreibung zu bewegen. Doch sie blieb beharrlich bei ihrer Entscheidung und drohte ihm, allen zu sagen, wer der Vater des Kindes sei und dass der Richter ihre eine Abtreibung nahegelegt habe. Das ließ seine politische Stellung nicht zu, und so hat dieser Schuft das kleinere Übel gewählt, dass seine minderjährige Tochter ein uneheliches Kind bekam.«
    » Aber dann ist Matt zurückgekehrt.«
    » Genau. Im bekannten Zustand.«
    Russell sah in Bens Augen die Bilder dieser Begegnung vorbeiziehen. Und den ganzen Schmerz und die ganze Zuneigung, die er für diesen unglücklichen Jungen empfand.
    » Als ich ihn gesehen und wiedererkannt habe, war ich so erschüttert, dass ich Jahre brauchte, um das zu verarbeiten. Kein Mensch auf der Welt dürfte so leiden müssen, wie dieser junge Mensch es getan hat.«
    Ben holte ein Taschentuch aus seiner alten Jacke und wischte sich die Mundwinkel ab. Ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte er fast dieselben Worte benutzt, die er an jenem Abend in der Lagerhalle zu Matt gesagt hatte.
    » Weil er so furchtbar entstellt war, wollte er Karen nicht wissen lassen, dass er noch am Leben war. Er hat mich schwören lassen, dass auch ich ihr nichts erzähle.«
    » Und dann?«
    » Dann hat er mich gefragt, ob er seine Sachen ein paar Stunden in seinem alten Zimmer lassen könne, denn er habe noch etwas zu erledigen. Danach wollte er wiederkommen, die Katze holen und verschwinden. Ich habe ihn zu Fuß in Richtung Stadt gehen sehen. Das war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe.«
    Wieder eine Pause. Russell wusste, dass Ben ihm gleich etwas Wichtiges sagen würde.
    » Am Tag darauf wurden die Leichen von Duane Westlake und Will Farland aus den verbrannten Trümmern des Hauses vom Sheriff gezogen. Und ich hoffe, dass sie immer noch in der Hölle schmoren.«
    Ben Shepards Augen forderten jeden heraus, der das Gesagte nicht teilte. Nach allem, was Russell gehört hatte, fühlte er sich nicht mehr in der Lage zu urteilen. Er wollte nur noch wissen.
    Der alte Bauunternehmer lehnte sich in seinem Sessel zurück.
    » Etwa zehn Jahre später ist auch Richter Swanson gestorben und hat seine würdigen Kumpane wiedergetroffen.«
    Er entspannte sich und kostete die Vorstellung aus, die für ihn eine Wahrheit sein musste.
    » Und was ist aus dem Kind geworden?«
    » Als der Junge noch klein war, ist Karen manchmal mit ihm vorbeigekommen. Dann haben wir uns aus den Augen verloren. Ich weiß nicht, ob es meine oder ihre Schuld war.«
    Russell begriff, dass er aus einem Anstandsgefühl heraus einen Teil der Verantwortung, die er in Wirklichkeit gar nicht hatte, auf sich nahm.
    » Und was ist dann passiert?«
    » Irgendwann später war ich mal in finanziellen Schwierigkeiten. Um mich zu sanieren, habe ich meine Firma verpachtet und drei Jahre als Sprengstoffexperte auf einer Ölplattform gearbeitet. Als ich zurückkam, erfuhr ich, dass Karen alles verkauft hatte und weggegangen war. Ich habe sie nie wiedergesehen.«
    Russell spürte, wie ihm die Enttäuschung die Kehle zuschnürte.
    » Du weißt nicht zufällig, wo sie hingezogen ist?«
    » Nein. Wenn ich es wüsste, würde ich es dir sagen …«
    Der Alte zögerte einen Moment.
    » … denn ich habe begriffen, wie wichtig es ist, den Mann zu finden, den du suchst. Außerdem brauche ich nicht noch mehr Gewissensbisse.«
    Russell blickte aus dem Fenster. Er sagte sich, dass es immerhin eine Spur war. Für die Polizei würde es nicht schwer sein, Karen Swanson zu finden und dann ihren Sohn aufzutreiben.

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