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Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Titel: Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rajesh Parameswaran
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ist passiert?«, fragte ich und streckte einen Fühler nach ihr aus.
    Sie zog ihre Fühler zurück, schlang sie eng umeinander und nahm sie an die Seiten. »Ach nichts, ich habe mich nur an den Klippen aufgeschrammt.«
    Dann drehte sie sich weg, um den Kummer auf ihrem Gesicht vor mir zu verbergen. »Ich wünschte, ich könnte dir deinen Schmerz nehmen«, sagte ich, »ihn in meinen eigenen Körper aufnehmen. Es ist dir zwar sicher kein Trost, aber so geht es oft mit junger Liebe; sie ist nicht von Dauer.«
    »Was weißt du denn schon?«, flüsterte sie.
    »Ich lebe schon länger als du.«
    »Ich wünschte, ich hätte eine Mutter«, erwiderte sie nur leise.
    Mein Kind – es hat eine sanfte Art, mich auszuweiden. Sie lümmelte sich tief in die Maschine und ließ den Blick über den kürzlich gerodeten Dschungel schweifen, über lange Reihen hastig gegrabener Baue. »Sie wüsste, was zu tun ist. Ich wünschte, sie wäre hier, Ka. Ich wünschte, du hättest sie nicht umgebracht.«
    Ein fremdes Konzept, »Mutter«. Wesen werden nur von einem Elternteil großgezogen, einem Ka, entweder ein Männchen oder ein Weibchen. Nippimas Mutter und ich lernten uns kennen, als unsere Familien gerade aus dem Dschungelinneren in die Stadt gezogen waren. Wir waren selber fast noch Kinder, hatten gerade erst die äußerliche Herausbildung erreicht. Ihre Ka und meine hatten ihre Baue nahe beieinander gegraben, unweit von der Stelle, an der wir heute wohnen, als diese Gegend noch dicht bewachsen war und als äußerster Stadtrand galt. Ich fand das völlig in Ordnung, denn ich lebte lieber im ungerodeten Dschungel; die Vorstellung einer Stadt machte mir immer noch Angst.
    Zu zweit flogen wir aus, um Fasern, Holz und Blätter für unsere Familien zu sammeln. Wir füllten Leinensäckchen mit Blattläusen und Rüsselkäfern und spülten zusammen Nagetiere aus ihren Bauten, um sie zu fangen. Sie war ein kluges Wesen, das sich kaum je aus der Ruhe bringen ließ. Während ich noch immer meinem Geburtsort im Dschungelinneren nachtrauerte, war sie immer gespannt auf Neues. Sie verstand den Wandel und begegnete ihm gelassen. Unseren ersten Erdling sahen meine Liebste und ich zusammen. Der Mensch war zu unseren Bauen gekommen, um im Auftrag der Übergangsbehörde unsere Namen zu registrieren. Ich war sofort in Panik geraten: Ich flog auf, flatterte so laut ich konnte mit den Flügeln und krümmte meinen Leib, um den Fremden einzuschüchtern. Wie dumm ich war. Meine Partnerin unterdessen ließ den weiblichen Erdling langsam näher kommen; sie beschnupperte die Menschin, betastete sie mit einer Fühlerspitze und lächelte dann beruhigend zu mir hinauf.
    Mein Weibchen war wunderschön. Ihre Ka und ihre Geschwister mochten mich nicht wegen meines Berufs, der in ihren Augen unsauber war. Doch ihre abergläubische Haltung zeugte nur von ihrer Rückständigkeit, denn sie waren einfache Arbeiter. Die größte Sorge beider Familien war jedoch, dass wir zu jung waren – sie vertrauten uns nicht, dass wir mit dem Vollzug noch warten würden. Meiner Ka bereitete das große Sorge. Sie steigerte sich regelmäßig in wahre Salzwasserfontänen hinein, wenn ich aus dem Bau ging. »Nichts gegen das Wesen«, sagte meine Ka immer wieder. »Ich mag sie. Ich liebe euch beide viel zu sehr. Aber bitte hör auf jemanden mit Lebenserfahrung. Ihr seid noch jung. Genießt noch eine Weile das Leben.«
    Unsere Eltern hätten uns das nicht zu sagen brauchen; wir waren alt genug und wussten es selbst. Aber in diesem Alter hält man die eigene Liebe für einzigartig und glaubt, sie wäre stärker als die Natur – normale Regeln würden nicht für sie gelten. Was uns jedoch zurückhielt, war mein schwerfälliger und pflichtbewusster Charakter. Wie oft machte meine Liebste sehr offensichtliche Andeutungen und flirtete mit mir, ohne dass ich es merkte – das erkenne ich jetzt im Nachhinein. Obwohl wir beide gleich alt waren, war sie klüger als ich. Und so warteten wir, und über ein Jahr lang passierte nichts. Doch eines langen Sommerabends, nachdem wir den Tag über zusammen den Rand der Schlucht durchstreift hatten, überwältigte es uns schließlich. Wir waren den ganzen Nachmittag zwischen rot blühenden Zweigen umhergeflogen, unter uns den atemberaubenden purpurnen Abgrund. Auf dem Heimweg machten wir unter irgendeinem Vorwand im Dschungel halt und ließen uns für einen Moment nieder. Sie lehnte sich an mich, sah zu mir hoch und legte den Kopf an meinen Hals. Wohlig warm

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