Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)
plötzlich sehr eifrig, die Teller an der Wand zu stapeln, und erwiderte nichts.
»Es ist ein Jammer. Ich hätte Eth gern für eine Aufbahrung vorbereitet, aber die Schnüre und das Innengerüst und alles sind so teuer. Vom Aufwand ganz zu schweigen. Ein Sarg ist auf jeden Fall eine gute Sache.«
Sie schwieg weiterhin.
»Ach, übrigens«, sagte ich – jetzt wo ich einmal ins Reden gekommen war, beschloss ich, das Thema aufs Tapet zu bringen, das uns sicher beide befangen machte. »Ich fand es sehr nett, mich mit diesem Erdling zu unterhalten. Es hat mich natürlich gestört, dass du ihn wegen unserer Arbeit angelogen hast. Du solltest stolz darauf sein.«
»Tut mir leid, Ka.«
»Aber er scheint ein guter Mensch zu sein.«
Sie zuckte mit den Fühlern.
»Ich hätte nichts dagegen, wenn du dich mit einem von ihnen paaren würdest.«
»Um Himmels willen, Ka!«
»Das ist in vieler Hinsicht wohl sicherer als mit einem Wesen von hier«, rief ich ihr nach, als sie beschämt in ihr Zimmer huschte. Was hätte ich denn sagen sollen? Wieder einmal schwante mir, dass mein Weibchen womöglich das bessere Rüstzeug für solche Gespräche gehabt hätte, dass sie besser mit unserem Kind hätte reden können.
Ich mache mir solche Sorgen um Nippima. Junge Wesen wie sie und Orlip sind in unserer neuen Welt völlig haltlos. Ich glaube, ich habe mein Bestes getan, um ihr den Weg zu weisen, aber wir erwachsenen Wesen kennen ihn ja selbst kaum. In der Stadt vergeht jeder Monat so schnell wie ein Jahr im Dschungelinneren – so schnell lassen wir unsere Tradition hinter uns. Vielleicht wird mein Beruf bald nicht mehr gebraucht, vielleicht stecken wir unsere Toten auch bald in Öfen und pressen die Asche in vakuumverschlossene Röhren, wie es so viele Erdlinge tun.
Dass Eth nicht aufgebahrt werden würde, ersparte mir zwar eine Menge Arbeit, aber es gab immer noch genug zu tun. Am nächsten Tag flog ich zum Handelszentrum, um das Holz für Eths Sarg zu besorgen. Auf dem Heimweg standen die Sonnen tief und wärmten mir durch die Fenster meiner Maschine das Gesicht. Wo die Via parallel zum Fluss verläuft, blickte ich auf das klare rosafarbene Wasser, das von kleinen schwarzen Gestalten übersät war – Schwimmern und Luftsurfern –, von den Sonnen hart umrissene Silhouetten. Es regte sich kein Lüftchen; sie trieben und tanzten auf dem Wasser und klammerten sich an ihre turbinenbetriebenen Apparate, während hinter ihnen die Sonnen untergingen. Ab und zu wurde einer der Surfer von einer leichten Brise erfasst, glitt ein Stück dahin und kitzelte das errötende Glas der Wasseroberfläche.
War mein Kind unter ihnen? Aus dieser Entfernung konnte ich kaum Wesen von Fremden unterscheiden. War eine von den Schwimmerinnen Nippima? Ich hoffte nicht. Genau genommen sorgte ich mich um all diese jungen Leute im Wasser, die mit dem allmählich ansteigenden und abfallenden Wasser auf und ab gingen und die sich den Launen der Strömung unterwarfen. Welche von ihnen waren Anfänger und noch nicht ausreichend trainiert für die Anstrengung, sich in dem trügerisch dichten, mineralreichen Wasser an der Oberfläche zu halten; wer würde unter Wasser geraten und von einem besseren Schwimmer gerettet werden müssen? Wer würde von einem Sog in die Tiefe gerissen werden und sich erschöpfen beim Versuch, aufwärts dagegen anzuschwimmen, statt die Wassermassen um sich herum auszuhalten und quer zu schwimmen? Ich dachte an die Ertrunkenen, die man mir brachte, von den Wellen zerfetzt und blau, durchtränkt und an den Felsen zerschmettert. Der Sog ist unerbittlich, und viele lassen durch ihn ihr Leben.
Nippima hatte vor dem Erdling schon einmal eine Romanze gehabt – eine sehr unschuldige. Damals war es ein Wesen, und ein schlechter Schwimmer. Einmal hatten die beiden spätabends am grasbewachsenen Teil des Ufers gegessen und getrunken, praktisch allein zu dieser späten Stunde. Ich sage ihr immer, sie soll abends nicht zu lange wegbleiben, aber mein Rat bleibt oft ungehört. Trotz ihrer Warnungen wollte das Männchen unbedingt ins Wasser, und dort tauchte es unter. Nippima sprang hinterher und schwamm ihm nach, ging eine Stunde lang immer wieder unter Wasser und brachte sich selbst in Gefahr. Als sie ihn endlich zu fassen bekam, zog sie ihn zum Ufer. Kurz vor dem Morgengrauen brachte sie ihn direkt zu mir nach Hause, nachdem sie mit ihm auf dem Rücken die ganze Via entlanggeflogen war. Ich sagte ihr, sie hätte ihn am Ufer liegen lassen und die
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