Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)
wobei sie ihre Fühler so unerträglich fest um meinen Hals zog, dass sie mir in den Filz einzuschneiden begannen. Mein Saugrüssel schnellte in die Luft, rang vergeblich nach dem kleinsten Partikel Luft. Mein Mund öffnete sich zu einem lautlosen Schrei.
Ich begann am ganzen Körper zu zittern, und die Muskeln in jedem meiner Beine arbeiteten gegen die schier unüberwindliche Kraft meines Weibchens an. Dann fanden zwei von ihnen Halt auf dem Boden, gerade genug, dass ich meinen Körper ein wenig zur Seite kippen konnte. Jetzt hatte ich den richtigen Winkel. Ich neigte ihr den Kopf zu und hob ihn unter größter Kraftanstrengung an, bis meine Lippen direkt an ihrer warmen Schläfe waren. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie versuchte mich wegzuschieben und wand sich, zog ihren Hals weg, aber es war zu spät – ich hatte meine Schneidezähne bereits in die weiche Stelle hinter ihrem Ohr geschlagen und sonderte das lähmende Gift ab, von dem wir in unserem ganzen Leben nur eine einzige Dosis haben.
In verzweifelter Hoffnung wartete ich darauf, dass ihre Beine eins nach dem anderen schlaff wurden und nachgaben, dann konnte ich meine Fühler befreien und ihre von meinem Hals loswickeln. Ich schob sie von mir herunter und setzte mich keuchend auf, versuchte wieder zu Atem zu kommen und befühlte die Wunde an meinem Hals. Aber ich gab mir nur einen ganz kurzen Moment, um mich zu erholen, dann wandte ich mich wieder meiner Partnerin zu. Sie war auf den Rücken gefallen, die gekrümmten Beine in die Luft gestreckt, und ihr Saugrüssel hob und senkte sich mit jedem Atemzug leicht. Ich beschnupperte und befühlte sie, um sicherzugehen, dass sie auch wirklich gelähmt war. Ich sah ihr nicht in die Augen; das wäre zu schmerzhaft gewesen, und zu diesem Zeitpunkt hätte mich diese Sentimentalität womöglich ins Wanken gebracht. Dabei musste ich jetzt schnell handeln. Ich richtete den Blick auf ihren schönen leuchtenden Leib. Mit den Schneidezähnen biss ich ein Stück von der panzerartigen Schale weg, bis ich in den fleischigen weichen Unterbauch gelangte. Meine Kiefer würden nie wieder eine solche Kraft erlangen, nie wieder diesen Appetit auf das Fleisch eines anderen Wesens verspüren – oder wenigstens keinen Ekel davor empfinden.
Schließlich wandte ich mich eilig unserem Kind zu. Zu meiner großen Erleichterung war es noch am Leben, und in dem schnell wachsenden Ei waren schon die Augen und die Riefelung des Leibs zu erkennen. Vorsichtig legte ich meine Fühler darum und hob es hoch. Sein rundes Maul, das sich gerade erst gebildet hatte, weitete sich und zog sich zusammen, es kaute Luft und pulsierte vor Hunger. Ich hielt es so, dass es mich nicht beißen konnte, trug es vorsichtig zu meiner Partnerin und legte es in das kleine Loch, das ich in ihren Leib gebissen hatte, wo es sofort zu fressen begann.
Mein Weibchen würde noch weitere drei Wochen lang atmen; und bis dahin würde sich unser Kind tief in das weiche Gewebe hineingefressen haben und groß und stark geworden sein von dieser warmen, lebenden Nahrung – Fleisch, das in einem toten Wesen in dieser Zeit verrottet wäre. Letztendlich hat Nippima ihre Mutter umgebracht, nicht ich. Was uns die Erdlinge jetzt erzählen, lässt darauf schließen, dass meine Partnerin bis zu ihrem letzten Atemzug unsägliche Qualen litt, dass das Gift zwar auf ihr motorisches Zentrum wirkte, aber nicht auf ihre Sinneswahrnehmung. Aber selbst wenn das stimmt, bin ich mir sicher, dass sie es für unser Kind gern auf sich genommen hat, denn ich hätte das genauso getan.
Während Nippima ihre erste lange Mahlzeit begann, machte ich mich daran, den Dschungelboden um sie herum aufzuwühlen und einen Bau für die beiden zu graben, in den sie hineinsinken konnten. Er wurde nach zahlreichen Erweiterungen und Umbauten der Bau, in dem wir heute wohnen. Nippima ist hier aufgewachsen, seit sie eine Larve war.
Es gab keine Verabschiedung für meine Partnerin, und von der Leiche war auch nicht viel übrig. Wir betrauern die Toten, die die Paarung überleben, aber für diejenigen, die dabei sterben, gibt es keine Bestattung. Ihr Ende ist tragischer, aber auch edler; keine Zeremonie könnte dem etwas hinzufügen. Bei Nippimas Verpuppung bekam die Familie meiner Partnerin einen Ehrenplatz, und es wurde ein Lobgesang auf ihre Tochter angestimmt. Auch wenn es ihnen vielleicht kein großer Trost war, konnte jedermann sehen, dass mein Weibchen in unserem Kind weiterlebte.
Die Erdlinge ereiferten
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