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Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Titel: Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rajesh Parameswaran
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Menschenbaby. Mir kommt das Wort Instinkt in den Sinn, und doch weiß ich, dass ich sie bewusst tötete. Ich tötete sie bewusst, es erschien mir unvermeidlich, und es stimmte mich traurig und fröhlich zugleich. Ich machte mich an die Arbeit, riss ihr sämtliche Organe heraus und schälte selbst den kleinsten Fetzen ihres süßen Fleisches von ihr ab, und als ich das alles aufgefressen hatte, als ich selbst die weichen Fleischkissen aus ihren Wangen gelutscht hatte und die Row-your-boat-Frau nur noch ein glänzendes Häuflein Knochen und Sehnen war, drehte ich mich um und schnappte mir das Menschenjunge. Mit zwei Bissen knackte, knusperte, schlürfte und verschlang ich das kleine Ding, dabei weinte ich. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie so viel Liebe empfunden.

Die wundersame Karriere des Dr. Raju Gopalarajan
    Es überraschte keinen von uns, als wir hörten, dass Gopi Kumar bei Comp USA gefeuert worden war. Wir stellten uns vor, wie er nach Hause kam und seiner Frau großspurig verkündete, seine Chefin werde jeden Moment merken, was für einen Fehler sie da gemacht habe, und ihn anflehen, seinen Job wieder anzunehmen. Manju hatte dann sicher geschnaubt und gesagt: »Aber du gehst trotzdem zum Arbeitsamt und lässt dich registrieren« (was Gopi schließlich auch tat). Was Manju jedoch nicht wusste – was keinem von uns klar war: Gopi hatte bereits beschlossen, seinen Lebensunterhalt künftig als Arzt zu verdienen.
    Drei Wochen später unterschrieb er den Mietvertrag für eine kleine Praxis in Manvel, gut anderthalb Stunden von seiner Wohnung entfernt; ein Ort, an dem er keinem von uns begegnen würde, wie er hoffte. Seiner Frau erzählte er, er würde sich nach einer Stelle umsehen, und später hatte er dann angeblich eine gefunden, als Fernsehverkäufer. Doch wenn er in diesen Tagen nach Hause kam, war er stets voll bepackt mit Büchern, mit allem, was er in der öffentlichen Bibliothek des Kreises Doakum über Medizin und Chirurgie finden konnte. Jeden Abend brütete er darüber, schrieb sich mit Bleistift Notizen an den Rand und konsultierte das Internet, wenn ihm etwas unklar war; und Manju stand in der Tür und sah ihm zu, leicht entnervt wie immer.
    »In Leihbücher darf man nichts reinschreiben«, sagte sie. Manju war Sekretärin in einem Versicherungsbüro, sie kam uns in der Öffentlichkeit schüchtern vor, ein wenig unsicher – die Art Frau, die immer Saris trug und auf Tamil antwortete, wenn man sie auf Englisch ansprach. Es entging uns aber auch nicht, dass sie zu Hause, ihm gegenüber, recht kühn geworden war, denn wenn man mit einem Mann wie Gopi verheiratet war, der seine Mitmenschen nicht immer so recht wahrnahm, konnte man ruhig etwas lauter werden und sagen, was man dachte, ohne dass jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wurde.
    »Warum denn nicht? Ich zahl doch Steuern dafür«, entgegnete Gopi dann.
    »Als ob du immer deine Steuern bezahlen würdest. Was liest du da überhaupt?«
    Und dann sah er sie an und sagte so etwas wie: »Kümmer dich um deinen eigenen Kram«, »Du hast wohl nicht genug Arbeit, dass du hier herumstehst und mir auf die Nerven gehst?« oder »Vielleicht solltest du selbst mal in ein Buch schauen, dann würdest du auch mal was lernen.«
    »Wo du ja so ein Genie bist«, antwortete Manju dann. Oder sie hielt den Mund und beschloss, dass es nicht wichtig genug war, um ihn noch weiter zu provozieren.
    Wenn Gopi sich schlafen legte oder zur Toilette ging, warf Manju natürlich einen Blick in die Bücher, um zu sehen, was ihren Mann so brennend interessierte, und deshalb meinten manche, sie muss davon gewusst und beschlossen haben, ihn nicht aufzuhalten – dass sie für alles, was später geschah, genauso viel Verantwortung trug wie er. Schließlich hatte Manju selbst die Geschichte erzählt, wie Gopi eines Tages in Indien den Verkehr vor seinem Haus so satt gehabt hatte, dass er sich aus den alten Khakihosen und -jacken seines Vaters, der bei der Luftwaffe gewesen war, eine Uniform zusammengestellt hatte und damit auf die Straße gegangen war. Er hatte handgeschriebene Strafzettel verteilt, sie gegen lautstark ausgehandelte Schmiergelder zerrissen und erst wieder damit aufgehört, als Manju vorgab, sie würde bei der Polizei anrufen und ihn anzeigen. Es heißt, Manju muss gewusst haben, dass ihr Mann schon eine einschlägige Vergangenheit als Hochstapler hatte, und sobald sie einen Blick in die Bibliotheksbücher geworfen hatte, hätte sie den logischen Schluss daraus

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