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Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Titel: Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rajesh Parameswaran
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wusste ich nicht mehr weiter. Ich konnte weder vor noch zurück, ohne dass die Frau noch hysterischer wurde. Ich stand einfach nur verständnislos da.
    Gerade als es so schien, als kämen wir nie wieder aus diesem schrecklichen nervösen Patt heraus, tat diese Frau etwas völlig Verblüffendes. Sie bückte sich ganz langsam und hob ein paar bunte Klötze auf, wohl das Spielzeug ihres Jungen. Dann kam sie hoch und schleuderte sie mit voller Wucht auf mich. Die Klötze trafen mich hart an der Flanke, und ich wich zurück und kauerte mich hin. Als die Frau sah, dass ich mich duckte, fasste sie offenbar Mut. Sie schnappte sich, was sie nur zu fassen bekam – Plastikdinger mit Rädern daran, bunte Klötze in allen möglichen Farben und weiche, pelzige Dinger, die Ähnlichkeit mit Bären, Löwen und Menschen hatten –, und ließ das alles zornig auf mich niederhageln.
    Als ich mich von meinem ersten Schreck erholt hatte, merkte ich, dass mir die Sachen nicht wehtaten, egal, wie hart die Frau warf. Meist landeten sie ohnehin weit daneben. Ich machte mir ehrlich gesagt mehr Sorgen, dass sie ihr Junges treffen könnte, so schlecht wie sie zielte – und genau das geschah auch: Obwohl ich mich schützend um es herumzulegen versuchte, flog ein Klotz auf Rädern in hohem Bogen über meinen Kopf und prallte am pissnassen Bein des Kleinen ab.
    Jetzt war ich wirklich stinksauer. Ich ließ das Junge auf den kissenweichen Boden fallen, drehte mich um und brüllte die Mutter mit der ganzen Kraft meiner heißen, feuchten Lungen an. Dann ging ich einen Schritt auf sie zu und brüllte noch einmal, so laut ich konnte.
    Wie gesagt, Menschen sind unberechenbar. Kaum dass ich so brüllte, sackte die Lockendame so weich und widerstandslos in sich zusammen wie ein Häuflein Federn von einem aufgeschreckten Vogel und fiel ohnmächtig auf den Boden.
    Nach ein paar Sekunden fand ich den Mut und näherte mich ihrem schlaffen Körper. Ich beugte mich hinunter, beschnupperte sie und leckte ihr übers Gesicht, aber sie wachte nicht auf.
    Was sollte ich tun? Das Junge schrie jetzt, es heulte und jammerte und wälzte sich auf dem Boden. Ich konnte es doch nicht so hilflos neben seiner bewusstlosen Mutter liegen lassen. Ich ging wieder zu dem Kleinen und beschnupperte es. Ich hatte Maharaj ja schon für ein übel riechendes Biest gehalten, aber dieses Menschenjunge stank wirklich bestialisch. Ich leckte sein speckiges, salziges Gesicht, aber das beruhigte es kein bisschen. Schließlich schnappte ich es wieder an dem schmutzigen Stück Stoff. Ich zwängte mich zu der Tür hinaus, durch die ich in das Haus gekommen war, ging mit dem Menschenjungen zu dem eisblauen Becken, wo ich mich vor ein paar Stunden so wunderbar erfrischt hatte, und hielt es mit dem Gesicht in die Nähe des kühlen Wassers; vielleicht hatte es ja Durst.
    Aber es machte keine Anstalten zu trinken, im Gegenteil, es schien sich sogar ein wenig vor dem Wasser zu fürchten. Deshalb war ich so frei, sein Gesicht hineinzutauchen, ganz sanft. Aber jetzt hustete und spuckte das kleine Ding und weinte noch lauter.
    Das laute Geschrei ließ meinen pochenden Kopfschmerz vom Morgen zurückkehren. Außerdem machte ich mir Sorgen, die Leute in den Nachbarhäusern könnten den Lärm hören, oder der Mann mit dem Gewehr, der mich ganz sicher auch jetzt noch verfolgte. Ich überlegte, ob ich das Junge einfach liegen lassen und wegrennen sollte, aber ich ertrug die Vorstellung nicht, dass es dann hilflos, schutzlos und ohne Mutter dort im Freien läge. Trotzdem machte mich dieses kleine Menschlein ganz verrückt, und es musste wirklich etwas geschehen, damit es sich beruhigte, und zwar schnell. Ich gebe zu, mir fehlt der Mutterinstinkt, und ich wusste lange nicht, was ich tun sollte.
    Dann hatte ich einen Geistesblitz. Ich legte das Junge vorsichtig auf das Gras, machte das Maul weit auf, nahm seinen Kopf behutsam ganz hinein und hob es hoch.
    Siehe da! Das Junge weinte nun schon deutlich leiser. Mein Maul kam ihm wohl wie ein warmer, beruhigender Leib vor. Und bald zappelte es auch nicht mehr mit den Armen und Beinen, die Schreie in meinem Maul verebbten zu einem ruhigen Wimmern und verstummten schließlich ganz; das Kleine schlief allmählich ein.
    Erst als ich den Kopf des Jungen wieder losließ und es sachte auf dem Gras ablegte, wurde mir klar, was ich da getan hatte. Ja, der Babymensch hatte aufgehört zu weinen, aber er atmete auch nicht mehr! Ich Dummkopf hatte ihn unbeabsichtigt und

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