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Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Titel: Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rajesh Parameswaran
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ziehen müssen.
    Doch wer so etwas sagt, begreift nicht, dass es mehr als einen logischen Schluss gab. Wie jeder weiß, hatte Manju in den einundzwanzig Jahren ihrer Ehe kein Kind bekommen können, und als sie die Bücher sah, die ihr Mann mit nach Hause gebracht hatte, mit den anschaulichen Fotografien von weiblichen Organen, von glänzenden Uteri, Scheidengeschwüren, blaugrünen Föten und ekzembedeckten Brustwarzen, hätte sie genauso gut glauben können, Gopi fühle sich einsam, weil er kinderlos und fast schon ein alter Mann war, und suche wieder einmal nach einer Lösung für ein Problem, das, wie sie vor langer Zeit beschlossen hatten, den Launen und der Gnade Gottes überlassen bleiben musste.
    Wir mochten Manju sehr, und sie fehlt uns. Sie hatte eine wunderschöne Stimme, und wir baten sie auf jeder unserer Feiern zu singen. Sie setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und räusperte sich, es wurde still im Raum, und Eltern hießen ihre Kinder, ruhig zu sein. Dann ließ sie ihre Stimme erklingen, und tief und bebend und voller Ehrfurcht und Traurigkeit sang sie von dem schönen, dunkelhäutigen jungen Krishna, wie sie ihn liebte und vermisste, wie sie sich in einsamen Nächten nach ihm verzehrte, aber niemals mit ihm zusammen sein konnte. Und während sie sang, bemerkten wir auch bei uns selbst einen hohlen Raum in der Brust und spürten, wie er sich mit einer süßen Sehnsucht füllte, die wir nicht greifen konnten, und unsere Augen wurden feucht und brannten. Wer darüber redet, was Manju und ihr Mann getan haben und was mit ihnen geschah, darf nicht vergessen, dass jeder Mensch Abgründe hat.
    In den Räumen, die Gopi von seinen und Manjus kargen Ersparnissen anmietete, hatte vorher ein Tierarzt praktiziert, und das war Gopi nur recht, denn so ließen sie sich mit wenig Aufwand in eine richtige Arztpraxis verwandeln. Es war ein kleines Ladenlokal in einem Einkaufszentrum mit billigen Mieten, an einer ruhigen Landstraße und von anderen Geschäftsgebäuden durch ein grasbewachsenes Feld getrennt, auf dem ein Dutzend längst ausgedienter Ölpumpen wie großschnäblige Vögel herumstanden und auf dem im Sommer knochige Hamburger-Kühe grasten.
    Es war so ein Ort, an dem sich jeden Morgen junge Männer mit Baseballkappen und Stetson-Hüten auf dem Parkplatz versammelten, dort herumstanden, bis die Sonne zu brennen begann, und sich dann in den schmalen Streifen Schatten neben dem Gebäude zurückzogen. Gopi sah sie, wenn er morgens zum Saubermachen und Vorbereiten kam; ihre Hüte tanzten vor seinem Praxisfenster auf und ab, während sie auf die mal vereinzelt, mal im Pulk ankommenden Pick-ups warteten, auf deren Fahrer, die mit dem Finger auf diejenigen zeigten, die einsteigen sollten.
    Eines Tages bot Gopi einem der wartenden Männer dreißig Dollar an, damit er ihm half, die Schränke auszuräumen und die Wände zu schrubben. Der Mann war froh über die Arbeit. Wie inzwischen jeder weiß, hieß er Vicente; er hatte ein breites Lächeln und mochte etwa dreiundzwanzig sein. Auf Gopis Frage, woher er komme, antwortete Vicente: »Puebla, Mexiko. Und Sie?«
    »Madras, Indien«, sagte Gopi.
    Wir stellen uns vor, wie Gopi und Vicente die verstreuten Häufchen und Tierfutterreste zusammenfegten. Sie warfen die rostigen Kleintierkäfige hinaus, die hier und da gestapelt waren, und schrubbten die komischen Flecken von dem kleinen Edelstahl-Untersuchungstisch, der an einer Wand befestigt war. Erfolglos gingen sie dem Klopfen und Fiepen nach, das nach Gopis Überzeugung das Getrappel und das Rufen eines entlaufenen und vergessenen Haustiers sein musste, und als sie fertig waren, roch es zwar immer noch hartnäckig nach Urin, aber Gopi war zufrieden.
    Damit die Praxis ein bisschen mehr hermachte, bestellte Gopi über das Internet ein Telefon, ein Skalpell, eine Pinzette, eine Schere, Verbandmull und Watte, Franzbranntwein, Verbände in unterschiedlichen Größen, Gummihandschuhe und einen Mikrowellenherd, und er besorgte sich von einem Freund in einem indischen Krankenhaus einen kleinen Vorrat an verschreibungspflichtigen Medikamenten.
    Nach zwei Wochen Vorbereitung eröffnete Gopi seine Praxis. In einem Copyshop hatte er ein kleines Schild mit dem Pseudonym anfertigen lassen, das er sich ausgedacht hatte: Dr. med. Raju Gopalarajan, Spezialist für Frauenkrankheiten und sonstige Beschwerden. Dieses Schild befestigte er nun mit Klebeband im Fenster. Wir stellen ihn uns vor, wie er da stand in einem weißen Laborkittel

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