Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)
schnell in Gang. Wer mit ernst klingenden Problemen zu Gopi kam – alte Männer mit starken Schmerzen in der Brust zum Beispiel –, den wies er zögerlich ab, aber diejenigen mit harmloseren Beschwerden behandelte er bereitwillig oder versuchte es zumindest, und nach zweieinhalb Monaten konnte er seine laufenden Kosten decken.
In diesen ersten Monaten lief es blendend für Gopi. Am Abendbrotstisch sagte er zu Manju vielleicht so etwas wie: »Ich habe heute sieben Fernseher verkauft.«
»Sehr schön«, erwiderte sie dann. »Bring uns doch irgendwann mal einen mit nach Hause, das wäre doch etwas.«
»Bald, meine Liebe«, sagte er ihr dann. »Bald haben wir auch große Fernseher und machen schöne Urlaube«, und dann grinste er auf seine unergründliche Weise, so zufrieden war er mit sich. »Vertraust du mir nicht? Es wird so kommen, Manju, warum denn nicht, frage ich dich? Warum nicht für uns?«
Manju war mittlerweile eine mehr oder weniger vernünftige Frau geworden, aber irgendetwas an Gopis Art fand sie so ansteckend, so unverhofft reizvoll – fast wie den Gopi von früher –, dass sie aufstand und ihren schmutzigen Teller zum Spülbecken brachte, damit ihr Mann das Lächeln nicht sah, das sich, ob sie es wollte oder nicht, auf ihrem Gesicht ausbreitete.
Nachts schmiegte er sich an sie und knabberte spielerisch an ihrem Hals.
»Aua!«, rief sie und gab ihm einen Nasenstüber. »Lass doch den Unsinn.«
»Warum denn? Nenn mir einen Grund«, sagte Gopi dann.
Und Manju antwortete: »Wozu sollte es gut sein?«
»Wozu?« Gopi lachte. »Merkst du nicht, wozu?«
Schließlich gab Manju nach und dachte sich, gut, warum nicht?
Natürlich sah Gopi, wenn er sich zwischen ihre drallen Schenkel drängte, vor seinem inneren Auge Bilder von Deepika Shenoy, der Frau unseres Doktorfreundes Dilip, oder von seinem alten Schwarm Dolly Parton.
»Wer hat hier die Hosen an?«, rutschte ihm in seinem Überschwang vielleicht sogar heraus, »Gopi, der große Medizinmann!« Und wenn Manju gekonnt hätte, hätte sie losgeprustet und gefragt, was er damit meinte, aber wenigstens in jenen ersten Nächten war sie zu aufgewühlt von der Entdeckung, wie gut und vertraut sich seine Wärme in ihr anfühlte, auch wenn es so lange her war.
Doch wenn er dann eingeschlafen war, blieb bei Manju der Nachgeschmack eines unbestimmten Grolls. Man könnte auch sagen, sein Verhalten hatte den Effekt, ihren seit Langem schlummernden Appetit auf Glück wieder anzuregen, ohne ihn zu stillen. Sie spürte Gopis neu gewonnene Entschlossenheit, konnte sich aber keinen Reim darauf machen. Sie sah die Umrisse eines anderen Lebens zu zweit, aber es fehlte der Inhalt. Und mit jenem neu entdeckten Verlangen, jener klar umrissenen Leere in ihrem Inneren begann Manju den Verdacht zu hegen, sie könnte schwanger sein.
Es passte alles zusammen. Manju hatte uns vor einigen Jahren anvertraut, die Ärzte hätten immer nur gemeint, es sei schwierig, aber nicht unmöglich. Und jetzt, so dachte sie, war vielleicht endlich ein Kind unterwegs, um Gopi zurückzuholen und die Liebe wachsen zu lassen, die sie nie richtig gehabt hatten. Manju konnte es kaum glauben, aber etwas von dem, was Gopi gesagt hatte, ging ihr nicht aus dem Kopf: Warum denn nicht? Warum nicht für uns?
Als sie den Arzttermin vereinbarte, beschloss Manju, weder Gopi noch irgendeinem von uns etwas zu sagen, bis sie eine sichere Antwort hatte. Die Ärztin war sehr nett und geduldig und hörte Manju interessiert zu, also erzählte sie ihr alles über die Veränderungen ihres Körpers, ihr Unwohlsein und die Übelkeit, die sie dann und wann überkam. Die Ärztin untersuchte Manju und nahm ihr Blut ab, und eine Woche später rief sie sie an und bat sie zu weiteren Untersuchungen noch einmal in die Praxis. Nach diesem zweiten Besuch war sie blass und mitgenommen von den endlosen Stunden, in denen sie halb nackt in kalten Räumen gelegen hatte, sich anstarren, piksen und von so vielen Leuten hatte betasten lassen, dass sie sich gar nicht mehr an deren genaue Zahl erinnerte.
Als sie an jenem Tag nach Hause fuhr, hoffte sie, ihr Mann hätte wenigstens etwas zum Abendessen vorbereitet. Doch als sie die Haustür öffnete, fand sie Gopi über ein zerrissenes Sofakissen gebeugt, dessen Füllung auf dem Boden verstreut war.
»Was in aller Welt tust du da?«, fragte sie.
»Nichts«, rief Gopi aufgeschreckt. »Was denkst du denn? Ich repariere bloß das Kissen.« Gopi hatte es mit dem Messer aufgeschlitzt und
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