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Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Titel: Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rajesh Parameswaran
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nur vielleicht, hat mein Unglücksfall, wenn Sie das hier lesen, bereits andere dazu angeregt, genau wie ich die Flucht in die Freiheit zu ergreifen.
Hinweis
Vielleicht leben wir jetzt als Freunde und Nachbarn unter euch.
Hinweis
    Ich komme von weit her. Dieses ausgedehnte, von Bäumen umstandene Grün hier erinnert mich an einen anderen grünen Ort.
Hinweis
Meine ersten Erinnerungen habe ich an Grün – das Rascheln von Grün, sein Schwingen und Wogen, ein Dickicht aus schmalen Blättern, die mir über den Kopf ragen –, das Gras, das wir fraßen und in dem wir lebten. Wie ich durch dieses Gras renne, zwischen den Füßen der Herde hindurch – schwere stampfende Füße, die selbst in den dichten Staubwolken und dem scheinbaren Chaos mit ballettartiger Präzision niemals danebentreten. Die älteren Elefanten spüren, dass mein tapsiger, wackliger Körper irgendwo unter ihnen im Staub und im Gras ist, und setzen die Füße um mich herum. So presche ich vorwärts, zwischen, unter und neben den schweren Gottesleibern meiner Verwandten. Mein Rüssel schwingt sich auf, tastet nach dem Leib, der den milchigen, moschusartigen Duft meiner Mutter Amuta trägt. Da ist sie, sie beugt sich kurz zu mir hinab, riecht an meinem Maul und berührt mich am Kopf, um mich zu beruhigen und sich meiner Anwesenheit zu versichern, und währenddessen geht es immer weiter vorwärts.
Hinweis
Aber zuallererst und hauptsächlich erinnere ich mich an eines: Grün.
    Während der Regenzeit führte uns unsere alte Leitkuh Ania immer aus unserem Tal hinaus ins Hochland, damit wir dort von den Rinden und Sträuchern fressen und das kurze, zarte Gras rupfen konnten, das in den Hügeln entlang der Monsun-Flüsse spross. In der Trockenperiode brachte sie uns dann zurück ins Tal, wo das Wasser zu einer kleinen blauen Pfütze zusammenlief – unserem See (obwohl ich ihn nie gesehen habe, erinnere ich mich an ihn)
Hinweis
–, wo das Gras zwar hart und fade, aber dafür stets vorhanden war.
    Das Leben war voller Veränderungen, aber unser Zuhause blieb immer dasselbe. Nachdem die alte Ania, zeit ihres Lebens einsam unter Feindinnen weidend, gestorben war, führte meine Mutter die Herde. In schlechteren Zeiten beklagten sich einige sogar über Mutters weise Führung und sagten, wir würden niemals so leiden, wenn Ania noch am Leben wäre. (Die Elefanten sprachen, sagte ich, aber das taten sie natürlich nicht. Wir Elefanten verwendeten untereinander keine Wörter, wie ich jetzt in meinem Bericht. Wir gaben Geräusche von uns, ganz unterschiedliche: Grunzen, Flüstern, leises Knurren oder ohrenbetäubendes Trompeten, doch diese Laute waren nicht wie Wörter. Außerdem sprachen wir mit dem Körper – mit dem Rüssel, den Ohren, den Beinen, den Augen, der Neigung unseres Kopfes –, aber diese Bewegungen hatten keine klare Bedeutung. Diese Gesten und Laute waren zwar die Grundlage unserer Kommunikation, und dennoch waren es nicht sie, die unsere Sprache eigentlich ausmachten. Die Quelle unserer Verständigung, die Substanz unserer Botschaften lag in etwas Weiterem und Runderem, einem Kreis aus Absichten, der jeden Einzelnen von uns und die Herde umgab. Wenn wir beisammen waren, verband uns ein Verständnis, konkret und gegenwärtig; jeder von uns spürte ganz klar, was ein anderes Tier ihm mitteilen wollte, und darüber hinaus verstanden wir als Herde, was die Herde dachte und fühlte.
Hinweis
)
    Ania war während der langen Dürreperiode von uns gegangen, als die Haut meiner Tanten schlaff von ihren vorspringenden Hüftknochen hing und sich unter ihren gütigen Gesichtern hart die kantigen Konturen ihrer Schädel abzeichneten. Ania hatte immer auf unsere alten Weideflächen vertraut. Wir alle hatten das. Doch eines Tages ging sie von uns, und als dominantes Weibchen unserer Herde blieb Mutter übrig.
Hinweis
    Wir alle hatten verwandte Herden auf ihren alten Weideflächen bleiben und sterben sehen, rief uns Mutter ins Gedächtnis. Sie überredete uns, das alte Land aufzugeben, und führte uns weit weg in unbekannte Berge,
Hinweis
wo die Konkurrenz um die Rinde der Affenbrotbäume und die spärlichen süßen Gräser geringer sei und wir ein gutes Auskommen hätten, wie sie uns versprach.
    Nicht alle Elefanten überlebten diese gefährliche Reise. Meine Großtante Thoosha hat den Aufstieg nicht überstanden. Sie war vierundneunzig, und eines Morgens während der langen Reise lag sie wach auf der Seite und verweigerte mit ruhiger Stimme das

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