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Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Titel: Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rajesh Parameswaran
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weiterhin bereit war zu kämpfen, unbedingt ihren Mut beweisen wollte, komme was wolle; aber Amuta ließ sich einfach nicht darauf ein. Dann rückte meine Mutter näher an Koni heran, schmiegte sich an sie, lehnte Kopf und Hals an die kleinere Kuh und legte ihr den Rüssel über den Rücken, und obwohl Koni ihr ausweichen wollte und die Berührung meiner Mutter abzuwehren versuchte, ließ Mutter sie nicht eher gehen, bis sie sich beruhigt hatte.
Hinweis
    Dann sah meine Mutter in die Runde, ob noch jemand etwas äußern wollte. Niemand. Und damit hatte sich die Sache. Amuta machte sich wieder auf den Weg zu unserem Weideland, und Manami, Iala und alle anderen folgten ihr bereitwillig – Konis kurzer Moment der Rebellion war vergessen, sie schien durch den wiedererlangten Konsens der Herde gar ihre Meinung geändert zu haben. Konis Rebellion hatte eigentlich gar nicht stattgefunden. Mutter hatte das nicht zugelassen.
    Und so lebten wir wieder zufrieden in unseren neuen Bergen. Die darauffolgende Regenzeit war intensiv und erfrischend. Morgens labten wir uns an den frischen grünen Trieben, und am Nachmittag wälzten wir uns im Schlamm und schliefen im Schatten der Bäume. Wenn andere Bullen unser Lager besuchten, spielten meine Tanten bereitwillig mit ihnen, und es gab keine weiteren Anzeichen von Gefahr; Koni erwähnte auch nie wieder den Moment, in dem sie eine andere Meinung geäußert hatte als Amuta – sie schien sich nicht einmal mehr daran zu erinnern. Dem Verhalten der Herde nach zu urteilen, war der Vorfall keine echte Meinungsverschiedenheit gewesen, bloß ein Missverständnis – ein Missverständnis untereinander und unserer jeweiligen Absichten. Es waren die letzten friedlichen Tage in meinem ersten grünen Leben.
Hinweis
    Mein zweites Leben begann mit einem Loch.
Hinweis
Nein, falsch, das sage ich jetzt im Rückblick. Mit einer üppigen, grünen Fläche. Abgefallenen Ästen und Blättern, abgerissenen Zweigen. Da war der Boden. Nur der Boden unter meinen Füßen. Und dann nicht mehr.
    Ich war jetzt fast elf und ernährte mich von Gras, nicht mehr von Milch. Ich sammelte mein Futter selbst vom Boden auf. Ich balgte mich mit meinen Cousins und Cousinen und tollte so ausgelassen umher, wie wir es in solch satten Zeiten tun. Ich rannte, um dicht bei meiner Mutter zu bleiben, die sich in der strahlenden Sonne schnell vorwärtsbewegte. Und dann waren da nur noch Schmerz und Dunkelheit.
    Alles tat mir weh, und ich spürte das Gewicht von irgendetwas Großem auf mir. Es war dunkel, und ich konnte nichts sehen. Ich roch meine Mutter und noch jemanden, und die Welt war nicht mehr da.
    Meine Mutter stand jetzt auf (dabei hörte ich Knochen brechen – nicht ihre, sondern die desjenigen, der unter ihr lag). Ich tastete mich mit dem Rüssel vor und wollte mich neben sie kauern, aber sie warf sich hin und her und erkannte mich nicht, und ihre offenkundige Verwirrung machte mir große Angst.
    Als wieder Licht an meine Augen trat, sah ich, dass wir zu dritt waren, meine Mutter, mein jüngster Bruder (er lag reglos und mit verdrehten Augen auf dem Boden) und ich. Meine Mutter beruhigte sich allmählich und erkannte mich jetzt wieder. Sie hob den Rüssel und schnupperte. Der Himmel war jetzt sehr weit über uns, ein kleiner blauer Kreis inmitten der Dunkelheit.
    In der Dunkelheit und der Erde um uns herum hörten wir das Poltern der Herde, die aus allen Richtungen zu uns herbeigeeilt kam.
Hinweis
Und dann erschienen in dem Himmelskreis über uns ihre Gesichter, die bestürzt auf uns herabsahen. Die Elefanten knieten sich hin und streckten die Rüssel aus, aber sie konnten uns nicht berühren. Iala weinte und trampelte auf den Boden ein. Andere rannten davon, rissen Äste ab und hielten sie uns hin in der Hoffnung, wir könnten uns irgendwie daran hochziehen. Und meine Mutter versuchte, die viel zu steilen Wände hochzuklettern, landete aber immer wieder auf dem Hinterteil. Eine meiner kleinen Schwestern versuchte verzweifelt, in das Loch zu uns zu springen, aber eine andere bekam sie gerade noch am Schwanz zu fassen.
    Ich erinnere mich nicht mehr, wie lange wir dort blieben und was die Herde noch alles versuchte, um uns zu retten.
Hinweis
Nach einiger Zeit (Stunden? Tagen?) wurde alles wieder still. Ich schlief, und als ich aufwachte, war ich hungrig und wie im Wahn. Aus dem Himmelsfetzen über uns blickten meine Verwandten weiter verzweifelt zu uns herunter.
    In diese Stille hinein sprach meine Mutter.
    Sie erteilte den

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