Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)
hier in der Stadt, Thoren. Nicht auf dem Land, verdammt noch mal.«
Ich flog wieder hoch, um Barhoeven etwas Zeit zu geben, sich zu fassen, und versuchte abzuschätzen, was an Arbeit auf mich zukam. Eths Kopf war auf die Größe einer unförmigen Charlie-Frucht angeschwollen und, wie ein erstes Abtasten vermuten ließ, in ein halbes Dutzend Teile zertrümmert, ihr Saugrüssel war zerrissen und ihre Schneidewerkzeuge im Gras verstreut oder in den Hals gerutscht. Und nun war es meine Aufgabe, Eths zerschmetterten Körper vom Baum zu holen, ihn zu trocknen, auszustopfen, zu überziehen, zu bemalen und für die Trauerfeier herzurichten – ihn schöner wiederherzustellen, als er zu Lebzeiten gewesen war. Man erwartete auf meinem Planeten nichts Geringeres von mir als ein Wunder.
Später an jenem Morgen begann ich in der Kellerwerkstatt in meinem Bau, die Holzsplitter aus dem klaffenden Loch in Eths Bauch zu ziehen. Palmena und ich hatten ziemliche Mühe gehabt, die Leiche vom Baum zu holen und in meine Maschine zu laden, während Barhoeven abwechselnd schluchzte und uns Anweisungen zurief. Der Inspektor war vor knapp fünfzehn Jahren von der Erdregierung als Berater für unsere entstehende Polizei hierherbeordert worden. Er verliebte sich in ein Wesen von hier – damals etwas sehr Mutiges –, und sie adoptierten zusammen eine Waisenlarve, die seit diesem Jahr auf die Sonderakademie geht. Es war eine neue Art von Familie, mit Eltern zweier unterschiedlicher Spezies, die beide über die Paarungszeit hinaus weiterleben. Vor zwei Jahren wurde Barhoevens Weibchen jedoch von Zuckerpilz befallen und starb, und seitdem wird er immer eigenartiger, unvorhersehbarer und emotionaler.
Durch die Lehmdecke über meiner Werkstatt hörte ich meine Tochter aus ihrem Zimmer herauskrabbeln. Wie gut, dass sie vor dem ersten Morgengrauen aufgewacht war. Ich baue sehr auf ihre Hilfe; sie hat ein Händchen für die Arbeit und ist sehr viel schneller und geschickter als ich. Ich krabbelte hinauf in die Küche, um ihr Guten Morgen zu sagen. Sie begann gerade zu frühstücken. Der leuchtende Glanz auf ihrem Gesicht sagte mir, dass sie geschlafen hatte – das beruhigte mich. In der Nacht zuvor war ich zu ungewöhnlicher Stunde von ihrem aufgeregten Getrappel über mir wach geworden. Sie hat gerade erst angefangen, sich als Weibchen herauszubilden, und der Wandel scheint ihren Schlaf gestört und ihre Stimmung getrübt zu haben.
»Du bist gerade rechtzeitig aufgewacht, Nippima. Die Arbeit ruft.«
Nippima beugte sich hinab und trank etwas Nektar direkt aus dem Topf, in dem ich ihn gekocht und auf der heißen Herdplatte hatte stehen lassen; dann sog sie etwas von dem Blattlausbrei auf, den ich für sie zermahlen und auf einem abgedeckten Teller auf den Boden gestellt hatte. Sie aß so schnell und gedankenverloren, dass ich mich fragte: Ist ihr überhaupt bewusst, dass jemand ihr Frühstück vorbereitet und mit Bedacht gelagert hatte, dass jemand an sie gedacht hatte, immer an sie denkt?
Sie sah zu mir hoch. »Ka, ich habe nicht immer Zeit, dir zu helfen.«
»Warum denn? Hast du was Besonderes vor heute?«
Jetzt zuckte sie gleichgültig mit den Fühlern – eine Geste, die mich ärgerte.
»Raus mit der Sprache.«
»Ich fliege zum Fluss«, murmelte sie über ihrem Brei. Als sie satt war, schob sie die schmutzigen Teller in die Ecke, richtete sich auf und ging zum Einflugloch.
Nippima ist ein hübsches, feingliedriges Mädchen, deutlich größer als ich, und ihr segmentierter Leib schillert in den satten Rot-, Orange- und Aquamarintönen der Jugend. Sie hat straffe, irisierende Flügel, und ihre Gesichtszüge erinnern mich sehr an die meines Weibchens: ihr dunkler gerader Saugrüssel, ihre perfekt runden Augen und ihre langen Fühler. Außerdem ist Nippima eine wahre Kunsthandwerkerin – im Gegensatz zu mir, dessen ungeschickte Fühler sich für Hunderte weniger anspruchsvolle Berufe besser eignen würden als für den, in den ich hineingeboren wurde. Aber vielleicht spricht aus all dem auch bloß elterlicher Stolz.
Am Einflugloch ließ sie sich schließlich dazu herab, mich anzusehen, und schenkte mir einen Hauch ihres bezaubernden Lächelns. »Meine Kunden warten«, sagte sie.
In letzter Zeit vernachlässigt Nippima zunehmend ihre Berufung und hat es sich in den Kopf gesetzt, ein eigenes kleines Geschäft aufzuziehen, als Reiseführerin für Erdlinge. Sie lungert in den Ferienanlagen und in den Cafés am Fluss herum, bis sie irgendeinen
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