Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Titel: Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rajesh Parameswaran
Vom Netzwerk:
Anschließend wurden sie hochgezogen und so fest gezurrt, dass sie uns tief in die Haut schnitten. Wir wurden hochgehievt, bis wir nur noch auf den Hinterbeinen standen, die Vorderfüße hilflos in der Luft. Anschließend regnete es Erde auf uns herab; haufenweise fiel sie aus allen Richtungen auf uns und um uns herum und bedeckte sogar meinen schlafenden Bruder. Stundenlang ging das so, bis der Boden das Niveau unserer Vorderfüße erreicht hatte und wir wieder richtig stehen konnten. Dann wurden die Lianen erneut festgezurrt, wieder wurden wir schmerzhaft hochgezogen und wieder fiel Erde auf uns herab.
    Dieser Vorgang wiederholte sich tagelang, bis sich der Boden unserer Grube fast auf gleicher Höhe mit dem Erdboden befand. Ich war ausgehungert und wie im Wahn, beinahe zu erschöpft, um noch Angst zu haben und mich zu fragen, was hier vor sich ging und wer dahintersteckte. Doch als wir endlich über den Grubenrand blicken konnten, stellte ich freudig und aufgeregt fest, dass die Welt wieder voller Elefanten war. Es war nicht unsere Familie, niemand, den wir kannten. Seltsam ausstaffierte Elefanten zogen zusammen mit merkwürdigen, unverständlich brabbelnden Tieren an den Lianen, mit denen wir hochgehoben wurden. Aber die Welt war wieder voller Elefanten.

An den Ufern des Tafelflusses (Planet Lucina, Andromedagalaxie, 2319 n. Chr.)
    Der Körper, um den es hier geht, war auf den Ästen eines Anemonenbaums aufgespießt, dort, wo der ungerodete Dschungel an die grasbewachsene Bahn der Via angrenzt. Es war sehr früh am Morgen, noch vor Beginn des dritten Morgengrauens. Im Scheinwerferlicht meiner Leichenmaschine sah ich die traurige Szene: zerrissene Flügel, überstreckte Fühler, mehrere Beine in unmöglichen Winkeln abgespreizt. Es war die Leiche von Eth, einer Bekannten von mir, Pförtnerin im Heavenly Paradise Resort. Ihr Sohn war auf der Akademie im Jahrgang unter dem meiner Tochter gewesen.
    Unter mir stapfte unser menschlicher Wachtmeister, Inspektor Barhoeven, zusammen mit seinem nervösen Untergebenen Palmena über den flachen Boden der Via; mürrisch ließen sie die Lichtkegel ihrer Taschenlampen über die Ranken und das Gestrüpp am Rand gleiten und bückten sich hin und wieder, um Plastikstücke oder abgeplatzte Farbsplitter aus dem Müll aufzulesen, mit dem der Boden der Via immer übersät war. Ich hatte das deutliche Gefühl, dass die Ermittlung im Grunde nur eine Formsache war. Eine Unfallflucht unter Alkohol, bei der eine einfache Hotelangestellte zu Tode kommt, wird hier weniger als Verbrechen denn als unvermeidliche Begleiterscheinung des Lebens betrachtet. Als ich aus meiner Maschine stieg und zu ihm hinunterflog, begann der gute Inspektor dann auch gleich, in diese Richtung zu argumentieren.
    »Tut mir leid, dass ich um diese Uhrzeit anrufe, Thoren.«
    »Das macht nichts.«
    Barhoeven fuhr mit seiner fünffingrigen Hand durch die Luft, und die Abzeichen um seinen Hals schlugen auf seiner knochigen Brust klimpernd gegeneinander.
    »Ach, ist es nicht eine Schande?« Er machte ein betroffenes und flehendes Gesicht, so als suchte er nach einer göttlichen Erklärung, als sähe er nicht mindestens einmal im Monat solche Leichen am Rand der Via. »Hätte sie es nicht besser wissen müssen?«
    »Bitte?«
    »Mitten auf der Via herumzufliegen! Ich hätte Eth für ein klügeres Wesen gehalten.«
    Ich musste ein Lächeln unterdrücken. Der clevere Inspektor Barhoeven schob die Schuld von vornherein auf die arme Eth und sparte sich so die Zeit und Mühe, Zeugen ausfindig zu machen und die Gäste unseres Planeten zu behelligen, ein langer und beschwerlicher Weg.
    »Weißt du, Thoren, anhand des Winkels und der Tiefe, mit der der Ast in ihren Rücken und ihr Abdomen eingedrungen ist, habe ich die Entfernung und die Geschwindigkeit der Maschine berechnet, die sie zur Seite geschleudert hat. Sie muss relativ langsam unterwegs gewesen sein, als Eth ihr direkt in den Weg flog.«
    Meinte er das ernst? Ich hatte Menschen wie Barhoeven noch nie verstehen können, so ernsthaft analytisch, so selbstsicher. Vielleicht war er ja wirklich der scharfsinnigste Detektiv des Planeten. »Sie hätte sich längst eine Maschine kaufen sollen«, murmelte er jetzt und rieb sich die winzigen Augen. »Sie war zu alt, um noch selbst zu fliegen.« Im Halbdunkel sah ich erstaunt, wie Tropfen an Barhoevens Wangen hinunterliefen.
    »Eth hat die Sicherheit unseres Planeten einfach vorausgesetzt, Inspektor.«
    »Ja, offenbar. Wir leben

Weitere Kostenlose Bücher