Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Titel: Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rajesh Parameswaran
Vom Netzwerk:
Orlip. Aber in diesem Fall wird leider eine Menge Arbeit nötig sein, wenn es eine würdevolle Aufbahrung sein soll.« Orlip tupfte mit einem Fühler sein Salzwasser vom Boden, dann schlang er ihn fest um das Ende seines Saugrüssels, damit nichts mehr hinauslief – eine kindliche Geste, vollführt mit dem Körper eines Erwachsenen. Seine bange Miene verriet mir, dass er gern gezahlt hätte, ihm die hohe Summe aber Angst machte.
    Orlip arbeitet ihm Heavenly Paradise, wo auch seine Ka gearbeitet hatte. Auch er ist Hauswart. Es ist harte Arbeit, und ich frage mich, ob sich Eth für ihre Kinder nicht etwas anderes erhofft hatte, als sie vor vielen Jahren mit ihnen aus dem Dschungelinneren hierherzog, genau wie meine Ka einst mit mir. Auch im Inneren wäre das Leben nicht leicht gewesen, aber wenigstens hätte Orlip Ältere um sich herum gehabt, die ihm bei solchen Aufgaben wie der Vorbereitung dieser Trauerfeier zur Seite gestanden hätten. Ein Präparierer wie ich wäre dann nur noch für den letzten Schliff gebraucht worden. Aber diese Zeiten sind längst vorbei, ob es einem gefällt oder nicht, und Orlip muss allein mit der Hilfe seiner Geschwister zurechtkommen.
    Nachdem wir unser Gespräch beendet hatten, brachte ich den Jungen zum Einflugloch und öffnete ihm den Riegel. Als er hinauskrabbelte und seinen breiten Körper in die Luft schwang, näherte sich knapp unterhalb der Baumwipfel die schlanke Gestalt von Nippima, die gerade nach Hause kam. Die beiden jungen Wesen hielten mitten in der Luft an und schwebten dicht beieinander. Sie unterhielten sich, aber ich verstand sie nicht, diese beiden Kindheitsfreunde, die einander so fremd geworden waren. Nippima trifft sich schon lange nicht mehr mit ihren Klassenkameraden aus der Akademie; fleißige, ernsthafte Wesen wie Orlip. Sie hat ihren eigenen Kopf, ganz anders als ich in diesem Alter. Die Erdlinge sind für sie heute offenbar interessanter.
    Nach einer kurzen Weile flatterte Orlip langsam davon, nackt vor der Welt. Und Nippima, mein Kind, ließ sich in der Nähe des Einfluglochs nieder und schüttelte sich den Staub und den Pollen aus den Flügeln.
    »Hast du dem armen Orlip dein Beileid ausgesprochen?«, fragte ich.
    Nippima funkelte mich kühl an – um mir zu zeigen, was für eine dumme, herablassende Frage ich da gerade gestellt hatte? Oder um auszudrücken, wie wenig sie von Beileidsbekundungen hielt, wie gering der Verlust des Elternteils für ein junges Wesen in ihren Augen wog?
    Und tatsächlich bekam ich meine Befürchtungen im Hinblick auf Nippima gleich am nächsten Tag bestätigt. Ich war mit meiner Maschine in die Stadt geflogen, um Eis zu holen. Ich verließ mich für solche kleinen Besorgungen mehr und mehr auf die Maschine. Meine Flügel sind nicht mehr die besten, oder vielleicht bin ich kurz nach der Lebensmitte auch einfach faul geworden, nicht mehr bereit, mich der Hitze der Sonnen auszusetzen.
    Als ich hierherzog, bestand das Handelszentrum nur aus ein paar Buden in den Baumkronen an der Flussbiegung, aber die Erdlinge haben diese Läden in einen gerodeten Bereich entlang eines Seitenarms umgesiedelt, wo jetzt in unzähligen durchscheinenden Kabinen alle möglichen Waren verkauft werden. Während der Hochsaison wimmelt es dort nur so von Erdlingen. Das Flussbett ist unterdessen für eine stets wachsende Zahl von Ferienanlagen reserviert, von denen einige als Nachahmung unserer Baue in den Boden eingegraben sind und andere in üppigen Wellen aus Gitterwerkstahl aufragen. Weiter stromabwärts, etwas abseits des malerischen Bogens, den der Fluss dort macht, haben die Erdlinge ihre Mineralgewinnungsanlagen errichtet.
    Ich ließ meine Maschine im Parkhimmel über dem Handelszentrum schweben und stieg aus. Als ich mit dem Handeln fertig war und das Eis eingeladen hatte, war ich so erschöpft, dass ich dringend einen Nektar brauchte. Da ich nicht bis zu Hause warten wollte, beschloss ich notgedrungen, in eins der überteuerten Cafés in einer der Ferienanlagen zu gehen.
    Ich entschied mich für die Lodge Grand Royale, ein vergleichsweise schlichter Bau aus Lehmziegeln und Glas. Ich überließ meine Maschine dem Pagen und flog hinab zu der menschlichen Empfangsdame, die mich durch das Hauptgebäude hindurch zum Café führte. Ich krabbelte sehr vorsichtig, um keine klebrigen Fußspuren auf den polierten Terracotta-Platten zu hinterlassen. Im Café bot mir der weibliche Erdling einen schönen Tisch auf einem Balkon mit Blick auf den Fluss an und zog

Weitere Kostenlose Bücher