Ich. bin. Jetzt - auf dem achtfachen Yoga-Pfad zu sich selbst finden
aufrecht zu erhalten. Wo kämen wir denn hin, wenn jeder Mensch alles ausspricht, was er denkt. Probieren Sie es aus, einen vollkommen lügenfreien Tag zu leben: „Ich hab keine Lust, dich zu treffen“, „Die neue Frisur steht dir nicht“, „Was du mir da erzählst, interessiert mich nicht“. Vermutlich werden Sie schnell feststellen, dass Sie viele Menschen mit Ihrer uneingeschränkten Ehrlichkeit vor den Kopf stoßen. Das erste und wichtigste Yama auf dem Yoga-Weg ist Ahimsa. „Nicht-Verletzen“ hat Vorrang. Brutale Ehrlichkeit ist nicht gefragt. Wenn die Wahrheit nur verletzend, entmutigend oder schädigend wäre, sollen wir besser schweigen oder dürfen sogar lügen.
Aber Achtung: Wir können viele Unehrlichkeiten damit rechtfertigen, dass wir andere schützen oder ihnen einen Gefallen tun wollen. Sind wir jedoch ehrlich zu uns selbst, entdecken wir oft weniger redliche Motive hinter den Unwahrheiten: persönliche Bequemlichkeit, Angst vor Konflikten, Vermeiden von Ärger oder Unannehmlichkeiten, Scham- oder Schuldgefühle, den Wunsch gut dazustehen oder die Sorge, sich unbeliebt zu machen. Meist steckt keine böswillige Absicht dahinter. Wir trauen uns nur ganz einfach nicht, so zu sein, wie wir sind, aus Angst vor negativen Konsequenzen. Wir schwindeln, verdrehen die Tatsachen, verschweigen etwas oder lügen geradeheraus, um uns selbst zu schützen. Dabei verkaufen wir unsere innere Wahrheit und verlieren unsere Authentizität. Außerdem schaffen wir, bewusst oder unbewusst, Distanz in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen, denn echte Nähe kann nur entstehen, wenn wir „echt“ sind – unser wahres Gesicht zeigen.
À la longue bestimmen Ihre scheinbar verborgenen Gedanken und Gefühle, was in Ihrem Leben und in den Beziehungen zu anderen Menschen geschieht, ob Sie das wollen oder nicht. Ein Mensch, mit dem Sie Kontakt haben, hört nicht nur, was Sie sagen, und merkt nicht nur, was Sie tun, er spürt auch, was Sie denken und fühlen. Wenn das, was Sie sagen und tun, nicht mit dem übereinstimmt, was Sie denken und fühlen, entstehen ganz automatisch Missverständnisse und Unstimmigkeiten. Wenn Sie also denken, es sei besser, irgendjemandem etwas vorzumachen oder zu lügen, mag das zwar oberflächlich betrachtet sinnvoll sein, aber wer das Gesetz der Resonanz und das Gesetz von Ursache und Wirkung wirklich versteht, weiß um das langfristige Ergebnis. Es gibt keine Welt da draußen, die unabhängig von Ihnen existiert. Wen belügen Sie also? Wem machen Sie mit der Unwahrheit etwas vor?
Der Ursprung allen Konfliktes zwischen mir und meinen Mitmenschen ist,
dass ich nicht sage, was ich meine, und dass ich nicht tue, was ich sage.
Martin Buber
Wir belügen uns selbst
Es gibt viele Möglichkeiten, wie wir uns selbst belügen können. Sei es, dass wir uns etwas schönreden, verharmlosen, einreden, vorgaukeln oder nicht eingestehen. Sei es, dass wir uns selbst überschätzen und eigene Fehler nicht wahrhaben wollen. Oder sei es, dass wir uns kleiner bzw. schlechter machen, als wir sind.
Warum tun wir das? Jeder Mensch kennt sich selbst wie kein anderer, weiß Dinge über sich, die sonst niemand weiß, und hat Zugang zu seinen geheimsten Gedanken und Gefühlen. Jeder weiß in seinem Herzen genau um seine Wahrheit. Wir hören nur oft nicht hin. Stattdessen verdrängen wir sie lieber, vor allem wenn sie weh tut, unangenehm ist oder unvereinbar mit dem, was sein „sollte“. Wir gestehen uns unsere Gedanken, Gefühle, Wünsche, Bedürfnisse vor allem dann nicht ein, wenn wir meinen, dass sie nicht in Ordnung sind – wir nicht in Ordnung sind, genau so, wie wir eben sind. Die Vorstellung, nicht „richtig“ zu sein, schnappen viele von uns in der frühen Kindheit oder Schulzeit auf. Mangelnde Anerkennung, fehlende Ermutigung, Liebesentzug, ausbleibende Unterstützung, Kritik, Schelte, Runtermachen von Träumen – das hinterlässt Wunden in der Kinderseele, die meist im Lauf der Zeit tiefer werden, statt zu heilen. Wir lassen nicht mehr zu, was ist, sondern bemühen uns, auf bestimmte Art und Weise zu sein. Wir denken, es ist besser, „richtig“ oder „perfekt“ zu sein statt „echt“. Wir denken, es ist besser, dazuzugehören, geliebt und anerkannt zu werden, als so zu sein, wie wir sind. Wir denken, die Stimme der anderen Menschen ist wichtiger als unsere innere Stimme.
Die innere Sehnsucht nach uns selbst bekämpfen wir gerne mit Schokolade, Zigaretten, Alkohol oder indem wir rund um die Uhr
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