Ich bin kein Mörder: Thriller (Band 3 von 3 der "Mörder"-Trilogie)
und? Alles im Blick, unter Kontrolle. Tolle Bilder.«
» Gesichter, aha. Und was siehst du in ihnen?«
» Das ist schwierig, denn sie wirken stets neu auf mich. Ich liebe das, denn es ist immer wieder überraschend. Aber ich erkenne Eastwood. An der Kleidung und an seinen Bewegungen. Ich mag diese Filme wegen der Gesichter und der Stille. Da gibt es einen, der heißt Charles Bronson. Der guckt zehn Minuten in die Wüste, ohne einmal zu blinzeln. Er wartet an einem Bahnsteig. Und er wartet und wartet. Ohne sich zu bewegen. Und er guckt. Immer das Gesicht. Ich möchte es am liebsten malen, um es mir zu merken. Das sind Männer, die dann töten, wenn es notwendig ist. Und sie tun es, ohne eine Regung zu zeigen.«
» Aber sie haben einen Grund, wenn sie jemanden abknallen.«
» Na und? Ich glaube nicht, das man immer einen Grund braucht.«
» Warum sonst sollte man es tun?«
» Um zu zeigen, dass man der Stärkere ist. Die meisten Menschen haben Angst davor. Wenn aber jemand kommt, der tötet, wie er es will, beweist er, wie stark er ist. Jeder fürchtet sich vor dem Mörder, denn er hat Macht.«
» Und Macht gefällt dir?«
» Ihnen ... sorry, dir nicht?«
Klug gemacht, kleines Monster!, dachte Franco.
»Ja, auch mir gefällt die Macht.«
» Na also.«
Oliver blickte drein, als frage er sich, was der dämliche Dialog sollte. War doch eh alles klar, oder?
» Gibt es Dinge, die du besonders gerne machst?«
» Hab ich doch schon gestern gesagt. Ich koche gerne.«
» Kochen, aha.«
» Ich liebe Fleisch und ich mag Gemüse. Daraus zaubere ich schöne Gerichte. Ich gucke Kochsendungen und koche Rezepte nach. Das ist Kunst, weißt du? Echte Kunst.«
» Ja, das ist es. Ein schönes Hobby. Das freut deine Eltern bestimmt sehr?« Franco musste aufpassen, nicht in eine kindliche Dialektik zu fallen. Es war verlockend, den Jungen zu unterschätzen.
» Ich möchte gerne Koch werden.«
Franco jubilierte innerlich. Das ergab ganz neue Möglichkeiten. Ungeahnte Möglichkeiten! Strahlend sagte er: »Würdest du etwas für mich kochen?«
Oliver verzog das Gesicht. »Wo denn? Hier im Zimmer? Hier sind überall Rauchmelder.«
» Nein, nicht hier. Später erst. Ich kenne in Berlin einen Spitzenkoch, der sich über einen Gehilfen freuen würde. Ist zwar nur für einen Tag, aber besser als nichts. Ich könnte mir vorstellen, mit dir nach Berlin zu fliegen, um dich ihm vorzustellen.«
Oliver strahlte. Und erneut fragte sich Franco, ob der Junge tatsächlich keine Empathie hatte. Gab es so etwas überhaupt? Null Mitgefühl? Ja, das gab es. Oliver freute sich über die Perspektive, aber er würde eiskalt bleiben, wenn Franco sich vor seinen Augen einen Zeh abschnitt.
»Wann fliegen wir?«
» Langsam, langsam, Oliver. Zuerst müssen wir uns noch besser kennen lernen. Außerdem weiß ich nicht, was deine Eltern dazu sagen. Auch sie sollten mich besser kennenlernen. Schließlich vertraut man seinen geliebten Sohn nicht einem fremden Mann an.«
» Du bist kein Fremder!«
Nein, ich werde dein Gepetto sein und dich schnitzen, aber ohne eine verräterische Nase!
»Wir könnten interessante Dinge miteinander tun und erleben, Oliver. Aber dafür brauche ich dein Vertrauen. Es könnte sein, dass du von mir Geheimnisse erfährst. Wer garantiert mir, dass du sie für dich behalten kannst?«
» Ich kann das!«, sagte Oliver geradeaus.
Ja, du kannst das. Ich weiß!
»Beweise es mir.«
» Wer ist der Spitzenkoch? Einer aus dem Fernsehen?«
» Ja, aus dem Fernsehen. Aber zuerst ...«
» Ich weiß. Ein Geheimnis.«
» Okay, du willst es mir beweisen. Was tun deine Eltern nach dem Abendessen?«
» Sie schauen sich die Hotelshow der Animateure an.«
» Und du?«
» Mich ödet das an, ich lese im Zimmer.«
» Heute nicht. Heute Abend triffst du dich mit mir.«
» Und warum?«
» Lass dich überraschen.«
28
Franco war leicht angetrunken, als er sich mit Oliver traf. Ihn schüttelte die Trauer um seine Tochter und die Gewissheit, nichts tun zu können, gar nichts. Außerdem sorgte er sich um Gabi. Würde sie das nächste Opfer des Racheakts sein? Sollte er sich stellen, um sie zu retten?
Er hatte den Telefonhörer angestarrt und überlegt, die Polizei anzurufen.
Alles hätte ein Ende.
Ein Ende!
Nach einem weiteren Glas Wein bäumte er sich auf.
Nein, noch kein Ende. Auf ihn wartete in Berlin eine Million Euro. Passkontrollen waren nicht zu erwarten, wunderbare EU. Er
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