Ich bin kein Mörder: Thriller (Band 3 von 3 der "Mörder"-Trilogie)
sympathisch.
Franco konnte der erste wahre Freund sein, den er jemals gehabt hatte.
Niemand der forderte, sondern jemand der begriff.
Ein einsamer Raskolnikow, der vor etwas davonlief und seine Erfüllung darin fand, einen Jungen, der anders war zu fördern.
Nichts wollte Oliver mehr, als diesen geheimnisvollen Kochkurs in Berlin zu besuchen. Einen Fernsehkoch. Das wäre was. Vielleicht würde er diese düsteren Dinge vergessen, wenn er ganz und gar in Rezepten, Gerüchen und Geschmack aufging?
Es gab keinen Kompromiss. Entweder er war, wie die Natur ihn gemacht hatte, oder nicht. Dazwischen gab es keinen Raum für Eventualitäten. Und genau das hatte Franco begriffen.
Er versuchte nicht, wie David Normann es getan hatte, mit ihm Brettspiele zu spielen, er versuchte nicht, Steine aufeinander zu setzen, um abzuwarten, wie hoch sein Aggressionspotenzial war, wenn der Turm einstürzte, nein, Franco ging mit ihm und tötete.
Tat das, wofür Oliver sich geboren glaubte.
Er war kein Mörder, nein, das war er nicht. Er war ein Erlöser. Einer, der den Suchenden die ewige Dunkelheit schenkte.
Es war so einfach.
Vielleicht sollte er Franco endlich von den Morden erzählen. Vor allen Dingen von dem Mädchen aus der Oberstufe, das zufällig an den Tatort gekommen war, ein hübsches Mädchen, das er nicht hatte töten wollen. Verdammt! Sie hatte es nicht verdient gehabt.
Aber er war nicht Rasko lnikow. Er würde sich nicht stellen und für Jahre ins Strafgefangenenlager gehen, abgesehen davon, dass er kein Mädchen hatte, das ihn begleitete, wie in Dostojewskis Roman.
Wenn es ein Beispiel für Olivers Empfindung gab, waren es Anakin Skywalker und Obi-Wan. Er lauschte dem Meister und würde ihm folgen. Er würde Papa und Mama verlassen, denn er hatte seine Erfüllung gefunden.
Endlich war er Oliver Strauss.
Begriff jemand, wie einsam er gewesen war?
Begriff jemand, wie oft er sich gewünscht hatte, weinen zu können?
Wie viel hatte er über Menschen gelesen, die bei schöner Musik weinten.
Bei einem Film weinten.
Die trauerten.
Die nicht nur aus Trauer, sondern auch vor Freude weinten.
Alles das konnte er nicht.
Und schließlich brauchte er Bronsons Gesicht, um sich in diese Welt einzuordnen. Brauchte die staksige Motorik eines Eastwood, um zu erkennen, wer wie war. Denn bei diesen Bildern war sogar ihm alles klar. Leones Filme waren nur für ihn gemacht. Filme mit Gesichtern.
Er war jahrelang neidisch gewesen. Auf die normalen Leute. Sie waren ihm vorgekommen wie Wesen aus dem All, denn sie ergötzten sich an Dingen, die Oliver so fern waren, weit entfernt wie die Sterne. Voller kühler Verzweiflung hatte er Dickens gelesen, selbstverständlich auch Oliver Twist , denn schließlich hatte der Held denselben Namen wie er. Er hatte jene Stellen aufgespürt, die grausam waren, die Seiten, bei denen man weinen sollte, bei denen die anderen weinen würden. Er hatte mit Oliver gelitten, doch nicht so, wie Oliver selbst gelitten hatte.
Er hat te gedacht: Schneide Sikes endlich die Kehle durch, du Idiot!
Und begriffen, dass das nicht die Aussage des Romans war. Dieser Oliver war ein Kind. Ein dümmliches, sanftes Wesen, voller reiner, kristalliner offener, ehrlicher Liebe und auf der Suche nach Gerechtigkeit.
Er hatte in keiner Sekunde mitgefühlt.
Das war grausam gewesen. Das war schlimmer gewesen als der Vater, der ihn mit einem Gürtel verprügelt hatte. Schlimmer, als alles in seinem Leben, furchtbarer als Blut, dass aus einer Kehle strömte.
Denn er begriff, dass er alleine war.
Ein Alien.
Dann wollte Oliver aufspringen und schreien: Ich bin doch nur ein Kind! Ich will so sein wie andere Kinder! Und obwohl er nur eine schwache Begrifflichkeit von Selbstmitleid hatte, wollte er rufen: Habt mich doch lieb! Begreift mich! Wenn Gott alle Menschen machte, wie es ihm gefiel, habe auch ich einen Stellenwert!
Nein, ein Kind war er nicht. Er war e in Ausgestoßener.
Ein Freak!
Und so endete sein Neid, denn ihm blieb nicht anderes übrig - und er fand sich ab.
Bis zu dem Tag, an dem er Franco Sola kennen lernte. Denn nun wusste er: Er war nicht alleine!
Mutmaßlich würden die anderen, die ganz normalen Menschen sagen, er sei verliebt. Sollten sie so denken. Vielleicht hatten sie sogar Recht!
31
»Euer Sohn macht Fortschritte«, sagte Franco. Nun war der Zeitpunkt gekommen, neben dem Vornamen auch die persönliche Anrede zu benutzen.
» Wirklich? Wir haben auch den Eindruck. Seit zwei Tagen ist er
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