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Ich bin kein Serienkiller

Ich bin kein Serienkiller

Titel: Ich bin kein Serienkiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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etwas anderes reden?«
    »Aber klar«, sagte er und machte sich eine Notiz.
    »Kann ich die Notiz sehen?«, fragte ich.
    »Gern.« Neblin schob mir den Block herüber.
    Erster Grund: Mörder in der Stadt.
    Will nicht über seinen Vater reden.
    »Warum haben Sie ›erster Grund‹ geschrieben?«
    »Es ist der erste Grund dafür, dass du Rob Anders erschreckt hast. Gibt es noch weitere?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete ich.
    »Wenn du nicht mit mir über deinen Vater reden willst, wie wäre es dann mit deiner Mutter?«
    Das Monster regte sich hinter der Mauer. Für mich war es jedenfalls ein Monster, auch wenn es ganz und gar nicht mit dem Serienkiller zu vergleichen war, der in der Stadt umging. Der Mörder war Wirklichkeit, und mein Monster war … nun ja, ich war es selbst. Oder ein dunkler Teil in mir. Man könnte meinen, es sei grässlich, wenn sich in einem ein echtes Monster verbirgt, aber glauben Sie mir, es ist viel, viel schlimmer, wenn das Monster im Grunde nur das eigene Bewusstsein ist. Wenn ich es ein Monster nannte, konnte ich mich ein wenig davon distanzieren und fühlte mich besser. Nicht viel besser, aber ich musste es hinnehmen, wie es war.
    »Meine Mutter ist gemein«, klagte ich. »Sie lässt mich nicht mehr nach hinten in die Leichenhalle. Sie hat es mir schon vor fast einem Monat verboten.«
    »Bis gestern Abend ist seit dem letzten Mord fast einen Monat niemand gestorben«, wandte er ein. »Warum wolltest du in die Leichenhalle, obwohl es dort keine Arbeit gab?«
    »Ich war früher oft dort, um nachzudenken«, gab ich zu. »Weil ich mich da wohlgefühlt habe.«
    »Gibt es noch einen anderen Ort, an dem du nachdenken kannst?«
    »Ich fahre manchmal zum Freak Lake«, sagte ich. »Aber da ist es jetzt zu kalt.«
    »Freak Lake?«
    »Der Clayton Lake«, erklärte ich. »Da gibt es viele seltsame Leute. Aber in der Leichenhalle bin ich praktisch aufgewachsen. Das kann sie mir doch nicht einfach wegnehmen.«
    »Du meintest einmal, du hilfst erst seit ein paar Jahren«, erwiderte Dr. Neblin. »Fühlst du dich auch mit anderen Teilen der Leichenhalle besonders verbunden?«
    »Gestern Abend ist der Reporter gestorben«, entgegnete ich, ohne auf seine Frage einzugehen. »Möglicherweise bekommen wir ihn herein – sie schicken ihn zur Beerdigung natürlich nach Hause, aber vielleicht kommt er zum Einbalsamieren vorher zu uns. Ich muss unbedingt die Leiche sehen, aber Mom lässt mich nicht.«
    Neblin schwieg.
    »Warum musst du die Leiche sehen?«, fragte er schließlich.
    »Um herauszufinden, wie er denkt.« Ich blickte wieder aus dem Fenster. »Ich versuche, ihn zu verstehen.«
    »Den Mörder?«
    »Mit ihm stimmt irgendetwas nicht, aber ich komme nicht dahinter.«
    »Nun«, sagte Neblin, »wir können über den Mörder reden, wenn du willst.«
    »Wirklich?«
    »Ja, wirklich. Aber danach musst du mir eine Frage beantworten. Ganz egal, wie sie lautet.«
    »Welche Frage?«
    »Das wirst du herausfinden, wenn ich sie dir stelle«, sagte Neblin lächelnd. »Was denkst du nun über den Mörder?«
    »Wussten Sie, dass er dem ersten Opfer eine Niere gestohlen hat?«
    Neblin schüttelte den Kopf. »Das war mir nicht bekannt.«
    »Niemand sonst weiß es, also behalten Sie es bitte für sich. Als der Tote in die Leichenhalle kam, fehlte eine Niere. Alles andere war zerfetzt, aber die Niere war sauber abgetrennt worden.«
    »Und die zweite Leiche?«
    »Da hat er den Arm mitgenommen«, erwiderte ich. »Der Bauch war zerschnitten, aber nicht völlig leer – die meisten Organe waren noch da.«
    »Bei der dritten Leiche war es dann ein Bein«, ergänzte Neblin. »Das ist interessant. Die aufgestapelten Organe beim ersten Mord waren also Zufall. Er ritualisiert die Tötungen nicht, sondern nimmt nur Körperteile mit.«
    »Genau das habe ich Mom gesagt«, erwiderte ich und hob hilflos die Hände.
    »Direkt bevor sie dich aus dem Hinterzimmer gewiesen hat?«
    Ich hob die Schultern. »Wahrscheinlich ist es eklig, so was zu sagen.«
    »Mich interessiert die Art und Weise, wie er die Leichen zurücklässt«, überlegte Neblin. »Er nimmt sie nicht mit und versteckt sie nicht, sondern lässt sie einfach liegen, wo man sie leicht findet. Gewöhnlich bedeutet dies, dass der Serienmörder damit eine Erklärung abgibt. Wir sollen die Leiche sehen und die Botschaft verstehen, die er uns damit schickt. Wenn du aber nun recht haben solltest, dann stellt er die Leichen nicht zur Schau. Er schlägt vielmehr rasch zu, verbringt so wenig

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