Ich bin kein Serienkiller
Hinweisen etwas anfangen können oder irgendeine Spur erkennen, dann wenden Sie sich bitte an die Polizei. Alle Angaben werden vertraulich behandelt. Vielen Dank.«
Nun war wieder die Reporterin zu sehen, die knapp nickte und in die Kamera blickte. »Hier ist Carrie Walsh von Five Live News . Zurück ins Studio, Sarah.«
Irgendwelche Spuren? Selbst wenn es völlig lächerlich klang?
Offenbar war der Dämon mehr als die Summe seiner Teile. Er konnte seine Hände in Dämonenklauen verwandeln, obwohl eine davon noch vor zwei Monaten einem Farmer gehört hatte. Er brauchte menschliche Körperteile, so viel war klar. Doch wenn er sie absorbierte, wurden sie ein Teil von ihm. Sie passten sich seinen Eigenschaften und Fähigkeiten an und übernahmen offenbar auch seine DNA-Struktur.
Doch wenn das zutraf, wie konnte es sich dann um menschliche DNA handeln? Besaßen Dämonen überhaupt eine DNA?
Ob es lächerlich klang oder nicht, ich musste die Polizei verständigen. Es sei denn, ich hätte ihn selbst aufgehalten, aber ich wusste nicht einmal, wo ich hätte beginnen sollen – ihn erschießen oder niederstechen? Anscheinend heilten bei ihm auch größere Wunden rasch, also kamen diese Mittel höchstwahrscheinlich sowieso nicht infrage. Außerdem wäre es falsch gewesen. Ich hatte viel zu viel Zeit damit verbracht, mich vor gewalttätigen Gedanken zu hüten, um jetzt auf einmal mit so etwas anzufangen. Das Monster stöhnte hinter der Mauer und bäumte sich auf, es war wach und wollte frei sein. Ich ließ es nicht heraus. Wer weiß, was es dann angerichtet hätte?
Also war ich wieder bei der Frage angelangt, wie ich die Polizei dazu bringen konnte, mir zu glauben. Ich musste den Beamten mehr geben als nur mein Wort, ich brauchte einen Beweis. Hätte man Mr Crowleys Haus durchsucht, wäre sicher nicht viel zu finden gewesen. Er war jetzt vorsichtig und verwischte seine Spuren. Wenn ich der Polizei etwas Brauchbares an die Hand geben wollte, dann mussten ihre Leute das Gleiche beobachten wie ich. Sie mussten ihn auf frischer Tat ertappen, sein Opfer retten und die Dämonenklauen mit eigenen Augen sehen.
Das war aber nur möglich, wenn ich ihn studierte, ihm folgte und die Polizei anrief, sobald er wieder zuschlug. Ich musste Mr Crowleys Schatten werden.
NEUN
Der erste Schritt war der schwerste: zur Tür hinaus, über die Straße und auf Mr Crowleys Gehweg bis zu seiner Veranda. Ich zögerte, bevor ich anklopfte. Wenn er mich am See bemerkt hatte – wenn er irgendeinen Verdacht geschöpft hatte, dass ich sein Geheimnis kannte –, dann brächte er mich auf der Stelle um. Ich klopfte noch einmal. Es war mehrere Grad unter Null, aber ich steckte die Hände nicht in die Hosentaschen, damit ich das Gleichgewicht halten konnte, falls ich schnell wegrennen musste.
Mrs Crowley öffnete. War auch sie eine Dämonin?
»Hallo, John, wie geht’s denn heute?«
»Prima, Miss Crowley, und Ihnen?« Hinter ihr knarrte etwas. Mr Crowley ging langsam von einem Zimmer in ein anderes. Wusste sie, was er war?
»Mir geht es gut, mein Junge. Aber was willst du an einem so kalten Abend hier bei uns?« Mrs Crowley war alt und zierlich, eine typische ›kleine alte Dame‹. Sie trug eine große Brille, und jetzt fiel mir ein, dass Mr Crowley keine aufhatte. Ob er immer neue Augen stahl, wenn seine alten zu schwach wurden?
»Es hat gestern Abend geschneit«, sagte ich. »Ich will Ihre Gehwege freischaufeln.«
»An Thanksgiving?«
»Ja«, bekräftigte ich. »Ich hab sonst nichts vor.«
Mrs Crowley lächelte nachsichtig. »Ich weiß schon, warum du hier bist. Du willst eine heiße Schokolade.«
Auch ich lächelte – ein sorgfältig einstudiertes Lächeln, das einem Zwölfjährigen gut gestanden hätte, nachdem er in eine gutmütige Falle gelaufen war. Ich hatte es den ganzen Abend geübt. Mrs Crowley bot mir immer heiße Schokolade an, wenn ich ihre Wege freischaufelte. Nur bei dieser Gelegenheit pflegte sie mich ins Haus zu bitten, und jetzt wollte ich dort hinein. Ich wollte sehen, ob Mr Crowley gesund oder krank war und wie schlecht es ihm ging. Irgendwann musste er wieder jemanden töten, und ich wollte genau wissen, wann ich die Polizei schicken musste, damit sie ihn auf frischer Tat ertappte.
»Ich setze gleich die Milch auf«, sagte sie. »Die Schaufel ist im Schuppen.« Damit schloss sie die Tür, und ich ging hinten ums Haus herum. Meine Füße knirschten leise im Schnee. Es hatte begonnen.
Ein paar Minuten später tauchte Mr
Weitere Kostenlose Bücher