Ich bin kein Serienkiller
den Stühlen und sahen wie gebannt zu.
»In der Stadt Clayton geht die Angst um«, begann die junge Reporterin, die neben dem Waschsalon stand. Wahrscheinlich war sie nur eingesetzt worden, weil es in der Hackordnung niemanden mehr gab, der unter ihr rangierte. Im Fernsehen war die Landschaft viel heller als draußen vor dem Fenster. Vermutlich hatte man den Beitrag schon um zwei Uhr nachmittags aufgezeichnet. »Die Polizei fährt Tag und Nacht verstärkt Streife, und sogar jetzt, bei vollem Tageslicht, stehe ich neben einer Eskorte bewaffneter Polizisten.« Der Kameramann zog das Bild auf, bis links und rechts neben ihr zwei Beamte sichtbar wurden. »Wovor haben alle so große Angst?«, fuhr sie fort. »Drei ungelöste Mordfälle in einer Zeitspanne von nur drei Monaten. Die Polizei hat zwar einige Spuren, aber unser Reporter Ted Rask deckte so brisante Beweise auf, dass der Mörder ihn deshalb ebenfalls tötete.« Sie sprach gleichmütig, doch ihre Augen waren blutunterlaufen, und die Knöchel der Hand, mit der sie das Mikrofon hielt, waren kreidebleich. Sie hatte Angst. »Unterstützt von Agent Forman vom FBI, übermitteln wir Ihnen heute diese Neuigkeiten und bitten um Hilfe bei der Ergreifung des Täters.«
Dann blendeten sie ein Archiv ein, und der FBI-Agent fasste die Geschichte von Emmett T. Openshaw zusammen, einem Mann aus Arizona, der vor zweiundvierzig Jahren einfach verschwunden war. Das Opfer war noch nicht alt gewesen – vielleicht um die vierzig? Ich kann das Alter von Menschen schlecht schätzen. Jedenfalls kam er mir irgendwie bekannt vor, wie es oft bei alten Fotos passiert. Irgendwie hat man das komische Gefühl, dass dieser Mensch, ausgestattet mit einer modernen Frisur und moderner Kleidung, jemand sein könnte, dem man täglich begegnet. Die Polizei hatte damals Blut und Hinweise auf Gewalttätigkeiten, aber keine Leiche gefunden. Noch wichtiger aber waren die Parallelen zu den Morden im Clayton County. Auch damals hatte man mitten auf dem Küchenboden des Opfers einen schwarzen Klecks gefunden. Inzwischen hatte die Polizei ein paar Theorien entwickelt, die die Reporterin nervös erläuterte, aber nichts passte zu der Tat, die ich beobachtet hatte. Wie sollten sie auch darauf kommen? Ich starrte den Bildschirm an und stellte mir den Mann in Arizona vor. Es hatte an seiner Tür geklopft, er hatte geöffnet und Mr Crowley vor sich gesehen, der ihm eine Geschichte über ein kaputtes Auto oder eine verlorene Landkarte aufgetischt hatte. Crowley hatte darum gebeten, ins Haus kommen zu dürfen, und als sein Opfer ihm den Rücken gekehrt hatte, da hatte er ihm die Kehle aufgerissen und ihm ein Organ gestohlen. Aber welches? Die Polizei hatte die Leiche nicht gefunden, deshalb wusste man auch nicht, ob der Mörder einen Körperteil entnommen hatte.
Warum aber hatte er damals die Leichen seiner Opfer versteckt und jetzt bei den ersten dreien darauf verzichtet? Das passte nicht zusammen. Wenn man die Klassifizierungen des FBI anwandte, dann war er zuerst ein organisierter und dann ein nicht organisierter Mörder gewesen. Sein letzter Mord an dem Streuner war dagegen wieder organisiert gewesen. Warum?
Anschließend kam der FBI-Agent ins Bild und gab in einem öden Büro ein vorher aufgezeichnetes Interview. »Die DNA-Tests im Dayton-Fall gehen weiter«, sagte Agent Forman, »und die Masse, die wir neben den drei Opfern in Clayton gefunden haben, war jedes Mal die gleiche. Das FBI kann nicht ermitteln, wem die DNA gehört, aber wir wissen, dass sie eindeutig von ein und demselben Menschen stammt.«
Ein und derselbe Mensch? Das passte auch nicht zusammen. Wenn der Kleister von den weggeworfenen Organen stammte und wenn jedes Organ früher jemand anders gehört hatte, dann sollte sich doch auch jedes Mal die DNA unterscheiden. Diese Art von Wissenschaft ging jedoch ein wenig über das hinaus, was ich bis zum zehnten Schuljahr gelernt hatte, und deshalb kam ich hier nicht weiter. Außerdem basierten meine Theorien auf Informationen, die das FBI nicht besaß. Dort konnte ich nichts Brauchbares erwarten.
»Emmett T. Openshaw starb leider schon vor so langer Zeit, dass wir keinen DNA-Test mehr durchführen können«, erklärte Agent Forman. »Auch der Kleister, der in seiner Wohnung gefunden wurde, wurde nicht als Beweismittel aufbewahrt. Offen gestanden wissen wir nicht einmal, ob diese Informationen überhaupt wichtig sind. Wir wissen nur, dass der Mörder heimlich vorgehen wollte. Wenn Sie mit diesen
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