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Ich bin kein Serienkiller

Ich bin kein Serienkiller

Titel: Ich bin kein Serienkiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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Crowley auf der Veranda auf. Er sah aus wie das blühende Leben, lief aufrecht, war stark und hustete kein einziges Mal. Seine neuen Gliedmaßen funktionierten prächtig. Er kam bis zum Geländer und beobachtete mich. Ich gab vor, ihn nicht zu beachten, war aber viel zu nervös, um ihm den Rücken zuzukehren. Schließlich richtete ich mich auf und sah ihn an.
    »Guten Abend«, sagte ich.
    »Guten Abend, John«, sagte er so fröhlich wie eh und je. Ich konnte nicht erkennen, ob er misstrauisch war.
    »Hatten Sie ein schönes Thanksgiving?«, fragte ich.
    »Prima«, sagte er. »Ganz prima. Kay macht einen sehr guten Truthahn. Den besten im ganzen Bundesstaat.«
    Er betrachtete nicht nur mich, sondern sah sich gründlich um – den Schnee, die Bäume, die Häuser, alles. Ich hätte fast behauptet, er sei glücklich, und irgendwie stimmte das wohl auch. Er hatte zwei gesunde neue Lungen bekommen und damit offensichtlich sein Leben verlängert. Ich fragte mich, wie lange dieser Zustand anhalten würde.
    Er wollte mich nicht töten, er schien nicht zu ahnen, dass ich sein Geheimnis kannte. Zufrieden, dass ich vorerst in Sicherheit war, schaufelte ich weiter.
    Die nächsten zwei Wochen schippte ich Schnee und betete jeden Abend, dass es weiter schneien möge. Alle zwei oder drei Tage fand ich einen neuen Vorwand, das Ehepaar aufzusuchen – ich musste den Neuschnee wegschaufeln, Feuerholz hacken oder beim Tragen der Einkäufe helfen. Mr Crowley war so freundlich wie immer, er redete, scherzte und küsste seine Frau. Dabei schien er der Inbegriff guter Gesundheit zu sein, bis ich eines Tages beim Ausladen der Einkäufe ein Abführmittel entdeckte.
    »Sein Bauch«, sagte Mrs Crowley mit einem boshaften Grinsen. »Wir alten Leutchen können nicht mehr so essen wie früher. Es fällt alles auseinander.«
    »Er kommt mir aber sehr gesund vor«, erwiderte ich.
    »Nur ein kleines Problem mit seiner Verdauung«, erklärte sie. »Nichts Schlimmes.«
    Nun ja, jedenfalls so lange, wie Mr Crowley nicht meinen Verdauungstrakt ins Auge fasste.
    Um sie hatte ich keine Angst – ihre siebzig Jahre alten Organe waren sicher nicht wert, gestohlen zu werden, aber das war nicht der einzige Grund. Er behandelte sie nett und küsste sie jedes Mal, wenn sie das Zimmer betrat. Auch wenn sie ihm nur als Tarnung diente, er würde ihr nichts antun.
    Am 9. Dezember, es war Samstag und schon spät am Abend, schlich Mr Crowley aus seinem Haus und schraubte die Nummernschilder seines Wagens ab. Ich sah voll bekleidet vom Fenster meines Zimmers aus zu, und sobald er die Nummernschilder verstaut hatte und fortfuhr, schlich ich leise nach unten und ging durch die Seitentür hinaus. Der kräftige Wind biss mir eiskalt durch das Halstuch ins Gesicht. Ich musste langsam fahren, um auf den vereisten Straßen nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Die Reflektoren hatte ich von meinem Fahrrad abgebaut, und nun war ich in der Dunkelheit fast unsichtbar. Allerdings machte ich mir keine Sorgen, ich könnte einen Unfall haben, denn die Straßen waren völlig verlassen.
    Auch Mr Crowley fuhr langsam. Ich folgte in einiger Entfernung seinen Rücklichtern. Um diese Zeit hatten nur noch das Krankenhaus und das Flying J offen, die beide am Stadtrand lagen. Ich nahm an, er wollte zu Letzterem, um wieder einen Streuner aufzulesen, doch er fuhr langsam in Richtung der winzigen Innenstadt. Das war im Grunde keine schlechte Idee, denn zu dieser Nachtzeit war sie praktisch menschenleer, und wenn er dort jemanden fand, konnte er ihn unbeobachtet töten. Alle Geschäfte waren geschlossen, Wohnhäuser gab es ebenso wenig wie Zeugen, die Schreie hätten hören können.
    Auf einmal fuhr weit vor mir ein zweiter Wagen aus einer Seitenstraße und hielt an einer Ampel neben Mr Crowley. Es war ein Polizeiauto. Ich stellte mir vor, wie sie ihn fragten, ob alles in Ordnung sei und ob er etwas brauche oder etwas Verdächtiges bemerkt habe. Dann sprang die Ampel auf Grün um, und sie blieben noch einen Moment lang stehen, ehe sie weiterfuhren – die Cops geradeaus, er nach rechts. Ich trat fest in die Pedale, um aufzuholen. Da ich ahnte, welchen Weg er wählen würde, bog ich ein Stück vorher in eine Seitenstraße ab, um nicht von den Straßenlaternen erfasst zu werden. Ich wollte nicht, dass Crowley oder die Cops mich bemerkten.
    Als ich sein Auto fand, hatte Crowley gerade angehalten und redete mit einem Mann auf dem Gehweg. Ich beobachtete die beiden eine Weile und bemerkte, dass der

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