Ich bin kein Serienkiller
Kennzeichen der Besitzer ermitteln. Und dann fahre ich zu ihm nach Hause und drehe ihm höchstpersönlich den Hals um.« Die anderen Jungs nickten grimmig. Die Hexenjagd hatte begonnen.
Brad war nicht der Einzige, der sich rächen wollte. Die Cops gaben den Namen des Halters nicht bekannt, aber ein Nachbar erkannte das Auto in den Sechsuhrnachrichten, und um zehn Uhr Abends stand schon eine Meute vor dem Haus des Mannes, warf Steine und wollte Blut sehen. Carrie Walsh, die ängstliche Reporterpraktikantin, war immer noch auf die Story angesetzt, und die Kamera zeigte sie, wie sie neben dem Lieferwagen des Senders hockte, während hinter ihr die Meute wütende Sprüche skandierte.
»Hier ist Carrie Walsh von Five Live News direkt aus dem Clayton County, wo es inzwischen, wie Sie sehen können, zu gefährlichen Ausbrüchen kommt.«
Ich erkannte Max’ Dad in der Meute. Er rief etwas und schüttelte die Faust. Er trug die Haare immer noch militärisch kurz geschnitten wie bei seinem Einsatz im Irak, und sein Gesicht war rot vor Wut.
»Die Polizei ist hier«, fuhr Carrie fort, »und sie war sogar schon vor Ort, ehe die Menschenmenge sich versammelte. Dies ist das Haus von Greg und Susan Olson und ihrem zweijährigen Sohn. Mister Olson ist Bauarbeiter und der Besitzer des Autos, in dem heute Morgen die beiden toten Polizeibeamten gefunden wurden. Es ist immer noch nicht bekannt, wo Mister Olson sich derzeit aufhält, aber die Polizei sucht ihn in Zusammenhang mit den Morden. Heute sind die Beamten hergekommen, um seine Frau zu befragen und um die Familie zu beschützen.«
Gleich darauf schrie die Menge noch lauter, und die Kamera schwenkte herum und visierte einen Mann an – es war der FBI-Agent Forman, der schon einmal ein Interview gegeben hatte –, der eine Frau und ein Kind aus dem Haus führte. Ein Cop aus der Stadt trug einen Koffer, einige weitere bemühten sich, die Menge zurückzuhalten. Carrie und ihr Kameramann drängten sich nach vorn und riefen den Polizisten Fragen zu. Die Cops halfen Mrs Olson und ihrem Sohn beim Einsteigen, dann wandte Agent Forman sich an die Reporterin. Zu beiden Seiten riefen wütende Leute: »Die hat einen Mörder geheiratet!«
»Entschuldigen Sie«, sagte Carrie, »können Sie uns verraten, was hier vor sich geht?«
»Susan Olson wird in Schutzhaft genommen, damit ihr und ihrem Kind nichts passiert.« Der Mann sprach schnell, als hätte er sich die Stellungnahme schon vorher zurechtgelegt. »Zu diesem Zeitpunkt wissen wir nicht, ob Mr Greg Olson ein Verdächtiger oder ein Opfer ist, aber er ist mit Sicherheit in diesen Fall verwickelt, und wir sind rund um die Uhr dabei, nach ihm zu suchen. Vielen Dank.« Damit stieg er ins Auto, das sofort abfuhr. Einige Polizisten blieben zurück, um die Menge aufzulösen und die Ordnung wiederherzustellen.
Carrie erweckte den Eindruck, als wolle sie den Polizisten so nahe wie möglich bleiben. Ihre Hände zitterten, aber dann schnappte sie sich einen Gaffer aus der Menge und befragte ihn. Zu meinem Schrecken erkannte ich Mr Layton, unseren Schuldirektor.
»Entschuldigung, Sir, darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«
Mr Layton tobte nicht wie viele andere und wirkte eher verlegen, als er plötzlich im Fernsehen war. Wahrscheinlich würde man ihm bei der nächsten Sitzung der Schulbehörde die Leviten lesen. »Äh, klar.« Unsicher blinzelte er in den Scheinwerfer.
»Was können Sie uns über die Verfassung Ihrer Stadt an diesem Tag sagen?«
»Na, sehen Sie sich doch um«, antwortete er. »Die Menschen sind sehr wütend. Sie lassen sich mitreißen. Eine Meute ist immer dumm, ich weiß, nur merkt man es nicht, solange man dazugehört. Da erscheint einem alles vernünftig. Ich komme mir schon dumm vor, weil ich nur hier stehe.« Er blickte in die Kamera.
»Glauben Sie, so etwas könnte sich wiederholen, wenn es noch mehr Tote gibt?«
»Das könnte sich schon morgen wiederholen.« Mr Layton hob beide Hände. »Es könnte sich jederzeit wiederholen, wenn die Menschen sich über etwas aufregen. Clayton ist ein kleiner Ort – wahrscheinlich kannte jeder in der Stadt mindestens eines der Opfer oder hat sogar in dessen Nähe gewohnt. Der Mörder, wer immer es ist, bringt nicht irgendjemanden um, sondern er tötet uns . Er tötet Menschen mit Gesichtern, Namen und Angehörigen. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie lange diese Stadt solche Gewalttaten noch hinnimmt, ohne förmlich zu explodieren.« Er linste noch einmal in die Kamera und
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