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Ich bin kein Serienkiller

Ich bin kein Serienkiller

Titel: Ich bin kein Serienkiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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und gleichmäßig auf und nieder, führte den Löffel zum Mund und senkte sich wieder, wenn Crowley kaute. Ich hätte mich noch weiter vorwagen können, um mehr von seinem Körper zu sehen, aber dadurch wäre die Gefahr gestiegen, dass er mich entdeckte. So gab ich mich damit zufrieden, außer Sicht zu bleiben und die Lücken mit meiner Vorstellungskraft zu schließen. Sein Stuhl kratzte über den Boden, er brauchte sechs Schritte bis zur Spüle und wusch mit einem Wasserschwall, der wie das statische Rauschen in einem Radio klang, seine Schale sauber. Gewöhnlich erwachte Kay in diesem Augenblick und kam in die Küche, und er küsste sie und wünschte ihr einen guten Morgen.
    Eine Woche lang beobachtete ich ihn, einmal schwänzte ich sogar die Schule, um herauszufinden, was er tagsüber trieb. Was ich suchte, aber nicht finden konnte, war Angst. Wenn ich herausfand, wovor – wenn überhaupt – er Angst hatte, dann hätte ich dies nutzen können, um ihn aufzuhalten. Natürlich war ich nicht auf einen offenen Kampf aus. Ich konnte den Dämon nur besiegen, indem ich klüger war als er, seine Schwächen ausnutzte und ihn dann zerquetschte wie ein lästiges Insekt. Das wäre bei den meisten Serienkillern leicht gewesen, weil sie immer nur Menschen angriffen, die schwächer waren als sie selbst. Allerdings hatte ich es jetzt mit einem stärkeren Gegner zu tun, der ganz sicher keine Angst vor mir hatte. Ich musste also etwas anderes finden, das er fürchtete. Sobald ich es gefunden hätte, könnte ich ihn damit konfrontieren und sehen, wie er reagierte. Wenn die Reaktion stark genug ausfiele, ließe er sich vielleicht sogar dazu verleiten, einen dummen Fehler zu begehen, und dann wäre mein Augenblick gekommen.
    Da ich in seinem Verhalten keine Anzeichen von Angst entdeckte, verlegte ich mich auf grundlegende Tatsachen. Zunächst auf das psychologische Profil, das ich entworfen hatte, sobald ich auf den Gedanken gekommen war, dass ein Serienkiller unterwegs war. Spät am Abend holte ich mein Notizbuch hervor und las die Liste durch: »Nähert sich seinen Opfern persönlich und greift sie aus nächster Nähe an.« Vorher hatte ich angenommen, das würde etwas Wichtiges über seine Persönlichkeit aussagen und könne erklären, warum er tat, was er tat. Inzwischen wusste ich Bescheid – er tat es vor allem, weil er neue Organe brauchte, und er griff die Opfer aus der Nähe an, weil seine Dämonenklauen die bestmögliche Waffe waren. Der nächste Punkt auf der Liste war genau das, was ich suchte: »Er will niemandem verraten, wer er ist.« Max hatte es mich notieren lassen. Für mich war das so offensichtlich gewesen, dass ich nie darauf gekommen wäre, es aufzuschreiben. Dabei war es die reine Angst. Er wollte niemandem zeigen, wer er wirklich war. Ich lächelte in mich hinein.
    »Kein Werwolf, Max, aber nahe daran.«
    Mr Crowley war ein Dämon, und niemand sollte es erfahren. Auch ein gewöhnlicher Killer wollte seine Geheimnisse nicht verraten. Was Mr Crowley fürchtete – und hier konnte ich Druck auf ihn ausüben –, war jedoch die Aufdeckung seines wahren Wesens. Es war an der Zeit, ihm eine Nachricht zu schicken.
    Die Nachricht zu schreiben, erwies sich als komplizierter, als ich es erwartet hätte. Genau wie beim Anruf in der Notrufzentrale wollte ich vermeiden, dass man irgendetwas zu mir zurückverfolgen konnte. Offensichtlich konnte ich nicht mit eigener Hand schreiben, also brauchte ich einen Computer, um den Brief auszudrucken. Selbst das hatte einen Haken – ich hatte mal von einem Mordfall gelesen, in dem ein Experte nachweisen konnte, auf welcher Schreibmaschine der gefälschte Abschiedsbrief eines Selbstmörders geschrieben worden war. Vermutlich ließ sich diese Methode auch bei Druckern anwenden. Der Drucker in der Schule wäre eine Möglichkeit, aber dort mussten wir uns einloggen, und damit würde ich eine deutliche elektronische Spur auf den Urheber der Nachricht hinterlassen. Ich entschied mich für den Drucker in der Bibliothek und wählte die Zeit, wenn dort am meisten los war und niemand auf einen Jungen achtete. Ich konnte hineinhuschen, die Nachricht schreiben, ausdrucken und anschließend spurlos verschwinden. Da es immer noch sehr kalt war, konnte ich sogar Handschuhe tragen, ohne Misstrauen zu erregen. So hinterließ ich nicht einmal Fingerabdrücke. Für den Fall, dass jemand vor mir zum Drucker ging und das Blatt las, versteckte ich die Nachricht zwischen vielen Zeilen von sinnlosem

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