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Ich bin kein Serienkiller

Ich bin kein Serienkiller

Titel: Ich bin kein Serienkiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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Kay weg war, und warf ihn ins Feuer. Schwarz lief die Schokolade über das Holz und das Plastik, warf Blasen und verschwand in der Holzkohle. Kurz danach gingen Brooke und ihre Eltern nach Hause.
    Schließlich waren alle Hotdogs gebraten, und als die Leute nach und nach verschwanden, legte ich noch ein paar große Klötze nach und fachte das Feuer an, bis eine blendende Säule tosender Flammen emporstieg. Es war schön und sehr heiß, stellenweise gar nicht mehr rot und orange, sondern gelb und grellweiß. In der Umgebung wurde es so warm, dass die Gäste sich zurückzogen und ich meinen Mantel ablegte. Neben dem Feuer war es hell und angenehm wie an einem Sommertag, obwohl es Ende Dezember und mitten in der Nacht war. Ich ging rundherum, stocherte, redete und lachte mit dem Feuer, während es das Holz zerstörte und die Pappteller verschlang. Die meisten Feuer knacken und knistern, aber was dort redet, ist nicht das Feuer, sondern das Holz. Wenn man das Feuer selbst hören will, muss es riesig sein wie dieses. Ein mächtiger Glutofen, der seinen eigenen Luftzug erzeugt. Ich hockte mich so nahe daran, wie ich mich traute, und lauschte seiner Stimme, einem flüsternden Heulen, das nach Freude und Wut klang.
    Im Biologieunterricht hatten wir über die Definition des Lebens gesprochen. Um als Lebewesen zu gelten, muss man essen, atmen, sich fortpflanzen und wachsen. Das tun Hunde, Felsen aber nicht. Bäume tun es, Plastik tut es nicht. Feuer war nach dieser Definition äußerst lebendig. Es frisst alles, ob Holz oder Fleisch, und es atmet Luft wie ein Mensch, wobei es Sauerstoff in Kohlendioxid verwandelt. Feuer wächst, und wenn es sich ausbreitet, erschafft es neue Brände, die ihrerseits um sich greifen und wieder neue Feuer entfachen. Es kämpft um sein Territorium, es liebt und hasst. Wenn ich beobachte, wie manche Menschen sich durch ihr langweiliges Leben schleppen, dann glaube ich manchmal, dass das Feuer sogar lebendiger ist als wir – heller, heißer, selbstbewusster. Es weiß immer, wohin es will. Feuer lässt sich nicht nieder, Feuer ist intolerant. Feuer wurstelt sich nicht irgendwie durch. Feuer tut etwas.
    Das Feuer lebt .
    »Wessen Schwingen trug’s mit Mut ?«, sagte auf einmal jemand. Ich fuhr herum und entdeckte Mr Crowley, der ein paar Schritte hinter mir auf einem Campingstuhl saß und gedankenverloren ins Feuer starrte. Alle anderen waren schon fort, und ich hatte mich zu sehr in die Flammen vertieft, um es zu bemerken.
    Mr Crowley war distanziert und abwesend. Er redete gar nicht mit mir, wie ich zuerst angenommen hatte, sondern mit sich selbst oder vielleicht mit dem Feuer. Ohne den Blick abzuwenden, fuhr er fort. »Wessen Hand ertrug die Glut ?«
    »Was?«, fragte ich.
    »Ja?«, erwiderte er, als erwache er aus einem Traum. »Oh, John, du bist noch da. Das war nichts weiter, nur ein Gedicht.«
    »Das habe ich noch nie gehört.« Ich drehte mich wieder zum Feuer um. Es war jetzt kleiner, immer noch stark, aber nicht mehr so wütend. Ich hätte eigentlich Angst haben sollen, da ich spät am Abend mit dem Dämon allein war. Als Erstes dachte ich natürlich, er habe mich irgendwie durchschaut und herausgefunden, dass ich seine Geheimnisse kannte und ihm die Botschaften geschickt hatte. Doch offensichtlich war er in Gedanken ganz woanders. Irgendetwas hatte ihn offenbar berührt und in einen melancholischen Zustand versetzt. Vielleicht dachte er über meine Briefe nach, aber jedenfalls dachte er nicht an mich.
    Außerdem richtete er die Aufmerksamkeit auf das Feuer, das seine Gedanken anzog und aufsaugte wie ein Schwamm das Wasser. Als ich sah, wie er das Feuer beobachtete, wusste ich, dass er es so liebte wie ich. Deshalb sprach er auch mit mir – nicht weil er mich im Verdacht hatte, sondern weil wir uns beide mit dem Feuer und damit in gewisser Weise auch miteinander verbunden fühlten.
    »Hast du das wirklich noch nie gehört?«, fragte er. »Was lernt ihr eigentlich heute in der Schule? Das ist von William Blake!« Ich zuckte mit den Achseln, und nach einer kleinen Pause sprach er weiter. »Tiger ! Tiger ! Grauses Licht, das aus Nacht und Wäldern bricht, wessen Schöpferdrang gestillt hat dein entsetzliches Gebild ?« *
    »Das kommt mir irgendwie bekannt vor«, erwiderte ich. In Englisch hatte ich nie besonders gut aufgepasst, doch an ein Gedicht über das Feuer hätte ich mich sicher ganz genau erinnert.
    »Der Dichter fragt den Tiger, wer ihn auf welche Weise gemacht hat«, erklärte

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