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Ich bin kein Serienkiller

Ich bin kein Serienkiller

Titel: Ich bin kein Serienkiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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unablässig, zu jagen, zu töten und es zu nähren. Es wollte die Angst der Opfer spüren, es wollte sie besitzen. Es wollte Moms Kopf auf einen Pfahl pflanzen und daneben Margarets und Kays Köpfe aufstellen. Es wollte Brooke an eine Wand ketten, wo sie für niemanden außer für uns kreischen konnte. In den letzten paar Wochen hatte ich das Monster immer wieder angebrüllt, es solle aufhören, und mich sogar selbst verletzt, um ihm wehzutun, aber es war stärker als ich. Mir entglitt die Kontrolle.
    Den restlichen Weg fuhren wir schweigend, und als wir zu Hause ankamen, machte ich mir ein Müsli und schaltete den Fernseher ein. Mom schaltete ihn gleich wieder ab.
    »Ich glaube, wir müssen mal reden.«
    »Ich sagte doch, ich will nicht …«
    »Ich weiß, was du gesagt hast, aber es ist wichtig.«
    Ich stand auf und kehrte in die Küche zurück. »Wir haben nichts zu bereden.«
    »Genau darum geht es«, beharrte sie, während sie mich vom Sofa aus beobachtete. »Der Dad deines besten Freundes wurde ermordet, das siebte Opfer binnen vier Monaten, und du kommst offenbar nicht gut damit zurecht. Du hast seit Weihnachten kaum ein Wort mit mir gesprochen.«
    »Ich habe seit der vierten Klasse kaum ein Wort mit dir gesprochen.«
    »Wird es dann nicht langsam Zeit?« Sie stand auf. »Hast du überhaupt nichts über Max, deinen Dad oder sonst etwas zu sagen? Meine Güte, in der Stadt geht ein Serienkiller um, und das ist dein Lieblingsthema. Vor ein paar Monaten hast du ständig über dieses Thema geredet, und jetzt bist du praktisch stumm.«
    Ich verzog mich in eine Ecke der Küche, wo sie mich nicht mehr sehen konnte, und aß mein Müsli.
    »Lauf nicht vor mir weg«, bat sie. Dann kam sie zu mir herüber. »Dr. Neblin hat mir von eurer letzten Sitzung erzählt …«
    »Neblin soll den Mund halten«, antwortete ich.
    »Er will dir doch nur helfen, genau wie ich«, fuhr Mom fort. »Aber du lässt uns nicht an dich heran. Ich weiß, dass du nichts fühlst, aber vielleicht kannst du mir wenigstens sagen, was du denkst …«
    Ich schleuderte die Müslischale mit aller Kraft gegen die Wand. Sie zerbrach, Milch und Müsli spritzten durch die ganze Küche.
    »Was glaubst du denn, was ich denke?«, rief ich. »Wie würdest du mit einer Mom leben, die dich für einen Roboter oder ein Standbild hält? Glaubst du denn, du kannst sagen, was du willst, und es prallt einfach an mir ab? ›John ist psychisch gestört. Stich ihm ruhig das Messer ins Gesicht, er spürt nichts.‹ Glaubst du wirklich, ich fühle nichts? Ich fühle alles, Mom. Jeden Stich, jede Wunde, jeden Ruf, jedes Flüstern hinter meinem Rücken, und ich möchte euch am liebsten ebenso stechen wie ihr mich, um euch zu erreichen!« Ich knallte die Hand auf die Anrichte, fand eine weitere Schale und schleuderte auch sie gegen die Wand. Dann nahm ich einen Löffel und warf ihn nach dem Kühlschrank und dann das Küchenmesser, um es ebenfalls zu werfen. Dabei fiel mir auf, dass Mom vor Schreck erstarrt war, ihr Gesicht war bleich, und die Augen hatte sie weit aufgerissen.
    Sie hatte Angst. Nicht nur das – sie hatte Angst vor mir . Sie fürchtete sich vor mir .
    Das gab mir einen Kick. Es durchfuhr mich wie ein Blitz oder eine Bö. Ich brannte innerlich, und die Kraft warf mich fast nieder: reine ungefilterte Emotionen.
    Das war es. So etwas hatte ich noch nie erlebt – eine emotionale Verbindung zu einem anderen Menschen. Ich hatte es mit Freundlichkeit, Liebe und Freundschaften versucht. Ich hatte geredet, mich mitgeteilt und beobachtet, aber bisher hatte nichts funktioniert. Bis ich die Angst entdeckt hatte. Ich spürte ihre Angst in jeder Zelle meines Körpers wie ein elektrisches Summen und fühlte mich so lebendig wie noch nie zuvor. Ich brauchte mehr davon, sonst hätte mich die Sehnsucht zerfressen.
    Ich hob das Messer. Sie zuckte zusammen und wich zurück. Wieder spürte ich ihre Angst, jetzt sogar noch stärker und in vollkommener Übereinstimmung mit meinen Bewegungen. Es war ein Ausbruch reiner Lebensenergie – nicht nur Angst, sondern auch Macht. Ich ging einen Schritt auf sie zu, und sie wich zurück. Wir waren in Verbindung. Ich führte sie wie bei einem Tanz und wusste sofort, dass auch die Liebe so ablaufen musste – zwei Seelen und zwei Körper, in harmonischer Bewegung vereint. Ich sehnte mich danach, noch einen Schritt zu tun und eine weitere Reaktion zu erzwingen. Ich wollte Brooke finden und in ihr die gleiche verzehrende Angst wecken. Auch sie

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