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Ich bin kein Serienkiller

Ich bin kein Serienkiller

Titel: Ich bin kein Serienkiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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sollte dieses Strahlen spüren, diese wundervolle Einheit.
    Ich rührte mich nicht mehr.
    Das war nicht ich.
    Das Monster hatte mich so fest im Griff, dass ich nicht mehr sagen konnte, wo es aufhörte und wo ich begann, aber irgendwo existierte ich noch.
    Mehr !, kreischte es.
    Meine Mauer war zusammengebrochen, der Käfig des Monsters war zerstört, aber die Trümmer lagen noch da, und irgendwie schaffte ich es in diesem Augenblick, die Sperre einen Moment lang wieder aufzurichten. Ich stand inmitten der Trümmer des Lebens, das ich mir über die Jahre sorgfältig erbaut hatte. Dieses Leben hatte ich nie genossen, denn ich hatte mich von der Freude abgeschnitten, aber immerhin hatte ich dieses Leben geschätzt, ob es nun angenehm gewesen war oder nicht. Ich hatte die Gedanken geschätzt, die ihm zugrunde lagen. Die Prinzipien.
    Du bist böse, sagte ich zu mir selbst. Du bist Mister Monster, du bist nichts. Du bist ich.
    Ich schloss die Augen. Jetzt hatte sich das Monster einen Namen gegeben. Einen Namen, den es dem Sohn des Sam gestohlen hatte, denn dieser hatte sich in einem Brief an die Zeitung als Mr Monster bezeichnet. Er hatte die Polizei gebeten, ihn auf der Stelle zu erschießen, damit er nicht weiter tötete. Er konnte sich nicht zurückhalten.
    Aber ich konnte es. Ich bin kein Serienkiller.
    Ich legte das Messer weg.
    »Es tut mir leid«, sagte ich. »Entschuldige, dass ich dich angebrüllt habe. Es tut mir leid, dass ich dir Angst gemacht habe.«
    Ihre Angst strömte aus mir heraus, die köstliche Freude der Verbundenheit verflog, die Verbindung war durchtrennt. Ich war allein, doch ich war wieder ich selbst.
    »Es tut mir leid«, sagte ich noch einmal und kam aus der Ecke heraus, ging den Flur entlang und floh in mein Zimmer. Ich schloss hinter mir ab.
    Verzweifelt klammerte ich mich an die letzten Reste meiner Selbstbeherrschung, aber das Monster war immer noch da. Es war stark und wütender denn je. Ich hatte es besiegt, bald würde es jedoch wieder aus seinem Loch kriechen, und ich wusste nicht, ob ich es noch ein weiteres Mal würde besiegen können.
    Der Sohn des Sam hatte seinen Brief folgendermaßen abgeschlossen: »Und diese meine Worte sollt Ihr nie vergessen: Ich komme wieder! Ich komme wieder!«

SECHZEHN

Der Jahreswechsel verlief ohne Zwischenfälle – Feuerwerk im Fernsehen, billiger Champagner aus dem Supermarkt, sonst nichts. Wir gingen ins Bett, die Sonne ging wieder auf. Es war dieselbe Welt wie immer, nur älter. Einen Schritt näher am Ende der Zeit. Kein Grund zum Feiern.
    Inzwischen beobachtete ich Mr Crowley fast rund um die Uhr. Tagsüber spähte ich aus meinem Fenster, nachts lugte ich in sein Fenster hinein. Als ich ihm eines Tages half, stahl ich ihm den Kellerschlüssel und verbarg ihn in einem winzigen Loch im Futter meines Mantels. Ich kannte den Tagesablauf der Crowleys und den Lageplan ihres Hauses bis in alle Einzelheiten. Bald danach brachen die beiden zu einer gemeinsamen Einkaufsfahrt auf – sie brauchte Lebensmittel, er einen neuen Wasserhahn für die Spüle in der Küche. Als sie fort waren, schlich ich durch die Kellertür ins Haus. Im Keller befand sich ein unübersichtliches Lager, von dort aus konnte ich zum Erdgeschoss hochsteigen, das ich von außen beobachtet, aber nur selten von innen gesehen hatte. Da war der Stuhl, in dem er beim Fernsehen saß, dort das Bett, in dem sie schliefen. Ich schob ihm eine Botschaft unters Kissen:
RATE WER HIER WAR
    Am 5. Januar, es war ein Freitagmorgen, kam Max’ Dad in der Leichenhalle an. Er war untersucht und gereinigt worden, und der Polizeiwagen brachte ihn in drei weißen Säcken. Crowley hatte ihn zerfetzt und zerrissen, und das FBI hatte ihn auf der Suche nach Beweisen offenbar noch weiter zerlegt. Mom würde ein Foto brauchen, um ihn richtig wieder zusammenzusetzen. Ich stellte mich auf die Badewanne und sah durch das kleine Fenster zu, wie der Gerichtsmediziner Ron und ein FBI-Mann die Beutel in den Einbalsamierungsraum schleppten. Mom und Margaret kamen heraus, und dann schwatzten die vier, während sie die Dokumente unterschrieben und austauschten. Kurz danach stiegen die Männer wieder in ihren Truck und fuhren davon. Unter mir erwachte der Ventilator klappernd zum Leben, und ich schloss das Fenster.
    Mom kam die Treppe herauf, wahrscheinlich wollte sie noch eine Kleinigkeit essen, ehe sie mit der Arbeit begann. Ich zog mich rasch in mein Zimmer zurück und schloss hinter mir ab. Seit ich sie neulich am Abend

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