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Ich bin kein Serienkiller

Ich bin kein Serienkiller

Titel: Ich bin kein Serienkiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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bedroht hatte, wich ich ihr fast panisch aus. Zu meiner Überraschung ging sie jedoch an der Küche, am Bad, der Waschküche und sogar an ihrem eigenen Schlafzimmer vorbei. Sie kam bis zum Ende des Flurs und klopfte an meine Tür.
    »John, kann ich hineinkommen?«
    Ich sagte nichts und starrte durchs Fenster zu Crowleys Haus hinüber. Er war im Wohnzimmer, denn dort war das Licht eingeschaltet, und das bläuliche Flackern hinter den Vorhängern verriet mir, dass der Fernseher lief.
    »John, ich muss etwas mit dir besprechen«, sagte Mom noch einmal. »Ein Friedensangebot.«
    Ich rührte mich nicht. Sie seufzte und setzte sich im Flur auf den Boden.
    »Hör mal, John«, fuhr sie fort, »wir hatten es nicht leicht, wir haben uns oft gestritten, aber wir gehören immer noch zusammen, oder? Ich meine, wir sind die beiden Einzigen in der Familie, die es miteinander ausgehalten haben. Sogar Margaret lebt allein. Wir sind nicht vollkommen, aber … aber wir sind eine Familie, und mehr als uns selbst haben wir nicht.«
    Ich rutschte auf dem Bett herum und betrachtete ihren Schatten, den ich durch den Türspalt sah. Mein Bett quietschte leise, als ich mich bewegte. Mir war klar, dass sie es gehört hatte. Sie sprach weiter.
    »Ich habe mich ausführlich mit Dr. Neblin über deine Empfindungen und deine Bedürfnisse unterhalten. Ich würde gern direkt mit dir reden, aber … Nun ja, wir wollen etwas ausprobieren. Ich weiß, es klingt verrückt, aber …« Sie hielt inne. »John, ich weiß, wie gern du beim Einbalsamieren hilfst, und du bist nicht mehr derselbe, seit wir es dir verboten haben. Dr. Neblin meint, dass es dir vielleicht mehr bedeutet, als ich dachte. Er sagt, es könne dir guttun. Du warst … du hattest dich früher besser unter Kontrolle, also hat er vielleicht recht, und es hilft dir tatsächlich. Ich weiß es nicht. Aber das ist das Einzige, was wir je gemeinsam getan haben, also … Nun ja, Mister Bowens Leiche liegt da unten, und wir wollen gerade anfangen. Wenn … wenn du willst, kannst du uns helfen.«
    Ich öffnete die Tür. Sie stand rasch auf, und ich bemerkte, dass ihr Haar ein wenig grauer geworden war.
    »Bist du sicher?«, fragte ich.
    »Nein«, antwortete sie, »aber ich will es wenigstens versuchen.«
    Ich nickte. »Danke.«
    »Es gibt einige Regeln, an die du dich halten musst«, erklärte Mom, als wir nach unten gingen. »Zuerst einmal darfst du mit niemandem außer vielleicht mit Dr. Neblin darüber reden. Aber auf keinen Fall mit Max. Zweitens tust du genau, was wir dir sagen. Drittens …« Wir hatten den Einbalsamierungsraum erreicht und blieben vor der Tür stehen. »Es ist eine sehr grässliche Leiche, John. Mister Bowen wurde praktisch auseinandergerissen, und der größte Teil seines Bauchs ist nicht mehr vorhanden. Wenn du das Gefühl hast, dass du raus musst, dann warte nicht zu lange. Ich will dir helfen, aber dir keinen Schaden fürs Leben zufügen. Zeig mir, dass ich dir vertrauen kann, John. Bitte.«
    Ich nickte, und sie starrte mich einen Augenblick lang traurig und doch voller Entschlossenheit an. Ich fragte mich, ob sie durch meine Augen wie durch Fenster in die Dunkelheit dahinter blicken und das Monster erkennen konnte, das dort lauerte. Sie öffnete die Tür, und wir gingen hinein.
    Roger Bowens Leiche lag in zwei Teilen auf dem Arbeitstisch, zwischen Oberkörper und Rumpf klaffte eine Lücke von etwa fünfzehn Zentimetern. Auf seiner Brust war ein großer, wie ein Y geformter Einschnitt von der Schulter bis zum Brustbein und von dort bis zu dem, was von der Hüfte noch übrig war. Der Einschnitt war halbwegs wieder zugenäht wie eine abgenutzte alte Decke. Margaret war hinten an der Anrichte beschäftigt und sortierte die inneren Organe aus dem Autopsiebeutel, um sie mit dem Trokar zu reinigen.
    Ich war wieder daheim. Alle Werkzeuge hingen an den richtigen Stellen an den Wänden, die Einbalsamierungspumpe stand griffbereit auf der Theke, das Formaldehyd und andere Chemikalien waren an der Wand aufgereiht. Es tat gut, mich wieder vertrauten Tätigkeiten zu widmen – säubern, desinfizieren, nähen, versiegeln. Das Gesicht war gequetscht und der Unterkiefer gebrochen, aber wir richteten es mit Füllstoff wieder her und verliehen ihm mit Make-up eine frische Farbe.
    Während wir arbeiteten, dachte ich darüber nach, dass Crowley auf der Straße zusammengebrochen war, nachdem er Max’ Dad getötet hatte. Er hatte sich überanstrengt und bis zum letztmöglichen Moment

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