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Ich bin Legende

Ich bin Legende

Titel: Ich bin Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Matheson
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nächsten Block bog er rechts ab in eine stille Straße, die an dem riesigen Grundstück endete. Auf halbem Weg schaltete er den Motor ab und ließ den Wagen den Rest des Weges ausrollen, damit niemand ihn hören sollte.
    Es sah ihn auch niemand, als er sie aus dem Wagen hob und in das unkrautüberwucherte Grundstück trug, sie auf den Boden legte und, nachdem er sich niederkniete, selbst zwischen dem hohen Unkraut verschwand.
    Langsam grub er, Schaufel um Schaufel. Glücklicherweise war der Boden hier weich. Aber die Sonne glühte herab und der Schweiß rann ihm in Strömen über Stirn und Wangen. Schaufel und Grube verschwammen vor seinen Augen, und der Geruch der frischen Erde stieg ihm heiß in die Nase.
    Endlich war das Grab groß genug. Er legte die Schaufel zur Seite und sank auf die Knie. Er zitterte, sein Hemd war schweißgetränkt. Jetzt kam das, was er am meisten fürchtete.
    Aber er wusste, dass er nicht warten durfte. Wenn sie ihn entdeckten, würden sie ihn sich holen. Es war ihm gleichgültig, ob sie ihn erschossen - doch sie würden sie verbrennen! Er presste die Lippen zusammen. Nein!
    Sanft, so vorsichtig wie nur möglich, ließ er sie in das nicht sehr tiefe Grab hinunter und passte besonders auf, dass ihr Kopf nicht aufschlug.
    Er richtete sich auf und blickte auf ihren stillen Leichnam, eingenäht in die Decke. Zum letzten Mal, dachte er. Nie wieder durfte er sich mit ihr unterhalten. Nie wieder durfte er sie in die Arme schließen. Elf glückliche Jahre endeten in einer zugeschütteten Grube auf einem leeren Grundstück. Er fing wieder zu zittern an. Nein, er musste sich zusammenreißen. Dafür war jetzt keine Zeit.
    Es half nichts. Die Welt schimmerte durch nicht zu haltende, den Blick verzerrende Tränen, während er mit tauben Fingern die warme Erde um ihren stillen Körper festdrückte.

    Angekleidet lag er auf dem Bett und starrte an die dunkle Zimmerdecke. Er war halb betrunken, Glühwürmchen schienen durch die sich um ihn drehende Finsternis zu schwirren.
    Seine Rechte tastete nach dem Nachttisch. Er stieß die Flasche um, zu spät griffen die Finger nach ihr. Er entspannte sich, blieb liegen und lauschte, wie der Whisky aus der Flasche gluckerte und sich über den Boden verteilte.
    Sein zerzaustes Haar raschelte auf dem Kissen, als er sich zum Wecker umdrehte. Zwei Uhr morgens. Zwei Tage, seit er sie begraben hatte. Zwei Augen blickten auf die Leuchtziffern, zwei Ohren nahmen das Ticken auf, zwei Lippen pressten sich zusammen, zwei Hände lagen auf dem Bett. Er versuchte von dieser Besessenheit der Zweisamkeit wegzukommen, aber alles auf der Welt schien ihm plötzlich dem Dualsystem zu entspringen, schien paarweise zu existieren. Zwei Tote, zwei Betten in einem Zimmer, zwei Fenster, zwei Kommoden, zwei Herzen, die ...
    Seine Brust füllte sich mit Nachtluft, hielt sie an, stieß sie aus und fiel abrupt zusammen. Zwei Tage, zwei Hände, zwei Augen, zwei Beine, zwei Füße ...
    Er setzte sich auf, schwang langsam die Beine aus dem Bett. Seine Füße landeten in der Whiskylache, und er spürte, wie seine Socken sich vollsogen. Ein kühler Wind rüttelte an den Jalousien.
    Er starrte in die Dunkelheit. Was ist denn noch geblieben?, fragte er sich. Ja, was ist mir eigentlich noch geblieben?
    Müde stand er auf und stolperte ins Bad. Er hinterließ nasse Fußabdrücke. Er hielt das Gesicht unter den Wasserhahn und tastete nach einem Handtuch.
    Was ist mir geblieben? Was ...
    Plötzlich zuckte er in der kalten Schwärze zusammen.
    Jemand drückte auf die Haustürklinke.
    Er spürte, wie es ihm kalt über den Rücken lief und seine Kopfhaut prickelte. Ben, dachte er. Er will sich seine Wagenschlüssel holen.
    Das Handtuch entglitt seinen Fingern. Er hörte, wie es weich auf den Boden fiel. Sein Körper zuckte unkontrollierbar.
    Eine Faust schlug kraftlos gegen die Haustür - so schwach, als wäre sie versehentlich auf dem Holz aufgeschlagen.
    Langsam und leise ging er ins Wohnzimmer. Sein Herz pochte heftig.
    Die Tür ratterte leicht, als wieder eine Faust schwach dagegenhieb. Wieder zuckte er zusammen. Was ist denn los, dachte er. Die Tür ist offen, genau wie das Fenster, durch das ein kalter Luftzug über sein Gesicht strich. Die Dunkelheit zog ihn wie magnetisch zur Tür.
    »Wer ...?« Er war nicht fähig weiterzusprechen.
    Er riss die Finger von der Klinke zurück, als sie nachgab. Mit einem Schritt drückte er sich an die Wand, wo er heftig atmend und mit weit aufgerissenen Augen stehen

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