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Ich bin Legende

Ich bin Legende

Titel: Ich bin Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Matheson
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blieb.
    Nichts tat sich. Er war wie erstarrt.
    Dann hielt er den Atem an. Jemand auf der Veranda murmelte etwas, das er nicht verstehen konnte. Er wappnete sich und riss mit einem Ruck die Tür auf. Mondlicht schien herein.
    Er konnte nicht einmal aufschreien. Er stand nur wie angewurzelt an der offenen Tür und starrte Virginia ungläubig an.
    »Rob-ert«, flüsterte sie.

10
    Die Sparte Wissenschaft und Forschung befand sich im ersten Stock. Robert Nevilles Schritte auf der Marmortreppe der Stadtbibliothek von Los Angeles hallten hohl wider.
    Nach einer halben Woche, die er hauptsächlich dem Alkohol und danach der Pflege seines Brummschädels und aufbegehrenden Magens gewidmet hatte und nur oberflächlicher Nachforschung, wurde ihm klar, dass er seine Zeit vergeudete. Vereinzelte Experimente führten zu nichts, das stand jetzt fest. Wenn es eine rationale Erklärung für dieses Problem gab - und daran musste er glauben! -, konnte er sie nur durch systematische Nachforschung finden.
    Da er mangels nötigen Wissens keinen anderen Anhaltspunkt hatte, ging er von der Voraussetzung aus, dass Blut der Hauptfaktor war. Ganz abgesehen davon: Irgendwo musste er ja anfangen. Der erste Schritt war demnach, sich über das Blut zu informieren.
    Nur seine gedämpften Schritte auf dem Fliesenboden des Korridors im ersten Stock brachen die ansonsten absolute Stille der Bibliothek. Draußen tschilpten und zwitscherten Vögel, manchmal zumindest, und selbst wenn sie schwiegen, war im Freien doch immer zumindest der Hauch eines Geräusches - der Wind, beispielsweise. Jedenfalls schien es dort nie so tödlich still zu sein wie in einem Haus.
    Dies spürte er hier in diesem riesigen Gebäude aus grauem Stein, das die Literatur einer toten Welt beherbergte, ganz besonders. Vielleicht lag es daran, dass man sich zwischen Wänden eingeschlossen fühlte, und es war rein psychologisch. Aber das Wissen machte es auch nicht leichter. Es gab keine Psychiater mehr, denen man hätte seine Ängste anvertrauen können und die von grundlosen Neurosen und Halluzinationen des Gehörs sprachen. Der letzte Mensch auf Erden hatte niemanden, der ihn von seinem Wahn befreien konnte.
    Neville betrat die Fachbibliothek. Sie war in einem hohen Raum mit großen Fenstern untergebracht. Genau der Tür gegenüber stand der Schreibtisch der Bibliothekarin, die die ausgeliehenen Bücher auf den Kundenkarten eingetragen und die Buchkarten abgelegt hatte - damals, als noch Bücher ausgeliehen wurden.
    Eine Weile stand er nur da und blickte sich in dem stillen Raum um. Ganz leicht schüttelte er den Kopf. All diese Bücher, dachte er, Beweise der Intelligenz der ausgestorbenen Menschheit, Überbleibsel großer und weniger großer Geister, traurige Reste, ein Potpourri von Wissen, das nicht genügt hatte, den Menschen vor dem Aussterben zu bewahren.
    Seine Schuhe klackten auf den dunklen Fliesen, als er zur ersten Regalreihe links ging. »Astronomie«, las er auf dem kartengroßen Schild, Bücher über den Himmel. Er schritt daran vorbei, nicht am Himmel war er interessiert. Der Traum des Menschen von den Sternen war ausgeträumt wie die anderen, gestorben. »Physik«, »Chemie«, »Technik«. Auch daran ging er vorbei und betrat den Hauptleseraum der Fachbibliothek.
    Er blieb stehen und blickte zur hohen Decke. Zwei Reihen längst nicht mehr brennender Leuchtröhren verliefen parallel. Die Decke selbst war in zwei etwas vertiefte Rechtecke geteilt, jedes mit Mosaiken in indianischem Muster verziert. Die Morgensonne quälte sich durch die verstaubten Fenster und in ihren Strahlen tanzten Stäubchen.
    Dann betrachtete er die massiven Holztische, die schnurgerade in einer Reihe standen, und die Stühle, die dicht und peinlich ordentlich an die Tischkanten gerückt waren. Offenbar hatte eine pedantische Bibliothekarin sich am Tag vor der Schließung noch darum gekümmert, dachte er.
    Er stellte sie sich vor. Vermutlich war sie gestorben, ohne je die Arme eines liebenden Mannes um sich gespürt zu haben; war in dieses grauenvolle Koma gefallen und dann in den Tod gesunken und vielleicht zurückgekehrt, um nachts mit unheiligem Verlangen herumzuwandern. Und das alles, ohne je gewusst zu haben, was es ist, zu lieben und geliebt zu werden.
    Eine solche Tragödie erschien ihm noch schlimmer zu sein als das Mutieren zum Vampir.
    Er schüttelte den Kopf. Das genügt, rügte er sich. Für solch sinnlose Überlegungen ist jetzt weder die richtige Zeit noch der richtige

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