Ich bin Legende
leckten haushoch und schickten fettig dicke Rauchwolken zum Himmel empor. Er hatte Kathy, die leblose schmächtige Kathy auf den Armen. Der Mann kam auf ihn zu und griff nach ihr, als wäre sie ein Lumpenbündel. Mit seinem kleinen Mädchen tauchte der Mann in den rußigen Rauch. Und er stand da, während das Entsetzen ihn wie mit Keulenhieben übermannte.
Plötzlich stürmte er mit berserkerhaftem Schrei vorwärts.
»Kathy!«
Arme griffen nach ihm, schlossen sich um ihn. Männer in Asbestanzügen und Gasmasken zerrten ihn zurück. Verzweifelt stemmte er sich dagegen, bohrte die Zehenspitzen in den Boden. Und dann schien etwas in seinem Schädel zu explodieren, und er schrie und schrie und schrie ...
Ein kräftiger Kinnhaken traf ihn, und es wurde schwarz vor seinen Augen. Er kam wieder zu sich, als etwas brennend seine Kehle hinabrann. Er hustete und keuchte, und dann saß er stumm und steif in Ben Cortmans Wagen und starrte blicklos vor sich hin, während sie wegfuhren von dem gigantischen Leichentuch aus Rauch, von dieser schwarzen rußigen Säule, die sich wie ein Mahnmal allen Leides der Erde dem Himmel entgegenstreckte.
So schrecklich lebendig war diese Erinnerung, dass er seine Lider zusammenpresste, bis sie schmerzten.
Nein!
Er würde Virginia nicht dorthin bringen. Auch nicht, wenn sie ihn deswegen töteten.
Steif schleppte er sich zur Haustür und trat auf die Veranda. Über den verdorrenden Rasen schlurfte er die Straße hinunter zu Ben Cortmans Haus. In der blendenden Sonne schrumpften seine Pupillen zu schwarzen Stecknadelköpfen. Schlaff baumelten seine Hände an den Seiten.
Als er auf die Glocke drückte, erklang die Melodie des Refrains von »Immer durstig«. Er hielt es nicht aus! Die Nägel bohrten sich in seine Handflächen. Er erinnerte sich, wie Ben das Glockenspiel erstanden hatte, weil er es für witzig hielt.
Er blieb vor der Tür stehen. Sein Kopf pochte. Es ist mir völlig egal, ob es Gesetz ist oder nicht; und es ist mir egal, ob es mein Todesurteil bedeutet, wenn ich sie nicht dorthin bringe!, dachte er.
Er hämmerte mit der Faust an die Tür.
»Ben!«
Nichts rührte sich in Bens Haus. Durch das Fenster, wo die weißen Scheibengardinen gerafft waren, sah er die rote Couch, die Stehlampe mit dem Fransenschirm, die Handarbeit, mit der Freda sich an ruhigen Sonntagnachmittagen gern beschäftigte. Er blinzelte. Welcher Tag war eigentlich heute? Er hatte es vergessen.
Er verdrehte die Schulter, als die Ungeduld mit glühenden Nadeln in ihn stach.
»Ben!«
Wieder hämmerte er heftig an die Tür. Sein Kinn zuckte. Verdammt, wo war er denn? Mit steifem Finger drückte er noch einmal auf die Glocke und nahm ihn auch nicht gleich weg. Geistlos und unerträglich fröhlich bimmelte die Melodie vom Zechbruder und wieder und wieder ...
Verzweifelt warf er sich gegen die Tür. Sie leistete keinen Widerstand, sondern flog heftig gegen die Dielenwand. Warum hatte er sich nicht erst vergewissert, ob sie überhaupt zugesperrt war?
Er trat in das stille Wohnzimmer.
»Ben«, sagte er laut. »Ben, ich brauche deinen Wagen.«
Sie lagen beide im Schlafzimmer, still und stumm im Koma des Tages, weit auseinander in den Ehebetten, Ben im Pyjama, Freda in seidenem Nachthemd, beide auf dem Rücken, und ihre Brust hob und senkte sich kaum merkbar.
Nur kurz blickte er auf sie hinunter. An Fredas Hals waren ein paar kleine blutverkrustete Wunden. An Ben konnte er keine entdecken. Eine Stimme in ihm sagte: »Wenn ich nur aufwachen würde!«
Er schüttelte den Kopf. Nein, aus diesem Albtraum gab es kein Erwachen.
Er fand die Wagenschlüssel auf der Dielenkommode und steckte sie ein. Mit stumpfem Blick verließ er das Haus. Es war das letzte Mal, dass er die beiden lebend sah.
Aufheulend sprang der Motor an. Er ließ ihn ein paar Minuten lang laufen, während er blicklos durch die staubige Windschutzscheibe starrte. Eine aufgedunsene Fliege summte in der stickigen Luft des Wagens um seinen Kopf herum. Ohne sie zu vertreiben, betrachtete er ihren leicht schillernden Flaum, während der Wagen unter ihm pulsierte.
Nach einer Weile trat er auf die Kupplung, legte den ersten Gang ein und fuhr die Straße hinunter. In der Einfahrt vor seiner Garage parkte er und schaltete den Motor ab.
Im Haus war es kühl und still. Der Teppich dämpfte seine Schritte, aber auf dem Holzboden der Diele klickten sie.
Reglos blieb er an der Tür stehen und schaute sie an. Sie lag auf dem Rücken, mit den Armen an ihren
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