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Ich bin Legende

Ich bin Legende

Titel: Ich bin Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Matheson
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Seiten und den weißen Fingern leicht angewinkelt. Sie sah aus, als ob sie schlief.
    Er drehte sich um und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Was sollte er tun? Wozu immer er sich auch entschloss, es war alles so sinnlos. Spielte es denn überhaupt eine Rolle, was er tat? Es würde an der Sinnlosigkeit seines künftigen Lebens nichts ändern.
    Mit stumpfen Augen schaute er durchs Fenster auf die sonnenhelle Straße.
    Warum habe ich dann den Wagen überhaupt geholt?, fragte er sich. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Ich kann sie nicht verbrennen, dachte er. Und ich tue es auch nicht! Aber welche Wahl blieb ihm? Alle Bestattungsinstitute waren geschlossen, so verlangte es das Gesetz. Jeder, ohne Ausnahme, musste sofort nach festgestelltem Ableben zur Feuergrube gebracht werden. Eine andere Möglichkeit, gegen eine weitere Ausbreitung der Seuche vorzugehen, kannten sie nicht. Nur das Feuer konnte die Erreger vernichten.
    Das wusste er. Er kannte das Gesetz. Aber wie viele befolgten es? Er beschäftigte sich eine Weile mit diesen Überlegungen. Wie viele Ehemänner trugen die Frauen, die sie geliebt, die ihr Leben mit ihnen geteilt hatten, zur Grube und überließen sie den Flammen? Wie viele Eltern ließen ihre Kinder, die ihr alles waren, einäschern? Wie viele Kinder warfen ihre Eltern in eine brennende Grube, die hundert Meter lang, hundert Meter breit und fünfunddreißig Meter tief war?
    Nein! Wenn es noch irgendwelche Werte auf der Welt gab, dann schwor er bei ihnen, dass dieses Feuer sie nicht verschlingen würde.
    Eine Stunde verging, bis er endlich eine Entscheidung traf.
    Dann holte er ihr Nähkörbchen und nahm Nadel und Faden heraus.
    Er nähte sie in eine Decke, bis nur noch ihr Gesicht herausragte. Und schließlich, mit zitternden Fingern und einem Würgen im Hals, nähte er die Deckenränder auch über ihrem Mund zusammen - über ihrer Nase - über ihren Augen.
    Er betrachtete sein fertiges Werk nicht, sondern eilte in die Küche und goss ein Glas Whisky hinunter. Er spürte es überhaupt nicht.
    Nach einer langen Weile kehrte er mit weichen Knien ins Schlafzimmer zurück. Eine lange Minute blieb er schwer atmend vor dem Bett stehen, bis er sich endlich dazu überwinden konnte, sich hinunterzubeugen und die Arme um das starre Bündel zu legen.
    »Komm, Liebling«, flüsterte er.
    Diese Worte schienen alles in ihm zu lösen. Er spürte, wie er zitterte und wie die Tränen langsam über seine Wangen sickerten, als er sie durchs Wohnzimmer und hinaustrug.
    Er legte sie auf den Rücksitz und klemmte sich hinter das Lenkrad. Nach einem tiefen Atemzug drückte er auf den Zündknopf, doch dann zog er den Finger zurück.
    Kurz entschlossen stieg er wieder aus und holte die Schaufel aus der Garage. Er zuckte zusammen, als er den Mann sah, der sich auf der Straße langsam näherte. Er legte die Schaufel in den Wagen und stieg ein.
    »Warten Sie!«, rief der Mann heiser. Er versuchte zu laufen, aber er war zu schwach dazu.
    Robert Neville blieb unbewegt sitzen, bis der Mann herbeigeschlurft kam.
    »Könnten Sie - darf ich meine Mutter - könnten Sie sie auch mitnehmen?«
    »Ich - ich - ich ...«
    Nevilles Stimme versagte. Er glaubte, er würde gleich wieder in Tränen ausbrechen. Aber es gelang ihm, sich zu fassen. Er straffte die Schultern.
    »Ich fahre nicht - dorthin «, erklärte er.
    Der Mann blickte ihn ungläubig an.
    »Aber Ihre ...«
    »Ich fahre nicht zum Feuer, habe ich gesagt!« Neville schrie es fast und drückte auf den Zündknopf.
    »Aber Ihre Frau«, sagte der Mann. »Sie haben Ihre ...«
    Robert Neville legte den Rückwärtsgang ein.
    »Bitte!«, flehte der Mann ihn an.
    »Ich fahr nicht dorthin!«, brüllte Neville jetzt, ohne ihn anzusehen.
    »Aber es ist Gesetz !«, brüllte der Mann plötzlich wütend zurück.
    Der Wagen fuhr rückwärts auf die Straße und Neville riss ihn in Richtung Compton Boulevard herum. Als er in den Rückspiegel schaute, sah er, dass der Mann auf dem Bürgersteig stand und ihm nachblickte. Dummkopf, dachte er zähneknirschend. Glaubst du, ich werfe meine Frau ins Feuer?
    Die Straßen waren verlassen. Auf dem Compton Boulevard bog er nach links ab. Er blickte auf das leere Grundstück rechts von der Straße. In einem Friedhof konnte er sie nicht begraben. Alle Friedhöfe waren verschlossen und wurden obendrein, zwar vielleicht nicht direkt bewacht, aber doch beobachtet. Schon mehrere Leute waren erschossen worden, weil sie versucht hatten, ihre Angehörigen zu beerdigen.
    Am

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