Ich bin Legende
der Bazillentheorie beharrt und nicht an Vampire geglaubt hatten.
Er stand auf und richtete sich einen Drink, aber dann ließ er ihn unberührt stehen. Langsam, rhythmisch hieb er die Faust auf die Barplatte, während er blicklos an die Wand starrte.
Bazillen.
Er verzog das Gesicht. Verdammt, fluchte er lautlos. Du tust ja ganz so, als hätte das Wort Stacheln.
Er holte tief Luft. Also gut, sagte er zu sich. Gibt es irgendeinen Grund, weshalb es nicht Bazillen sein sollten?
Er wandte sich von der Bar ab, als könnte er so seine Fragen dort zurücklassen. Aber Fragen sind nicht ortsfest, sie folgten ihm.
Er saß in der Küche über einer Tasse dampfend heißen Kaffees. Bazillen. Bakterien. Viren. Vampire. Warum bin ich so dagegen?, dachte er. War es lediglich reaktionäre Sturheit oder lag es daran, dass er unterbewusst davor zurückscheute, weil die Arbeit einfach nicht zu bewältigen wäre, wenn es sich tatsächlich um Bazillen handelte?
Er wusste es nicht. Er schlug nun einen neuen Kurs ein, einen Kompromisskurs. Weshalb die eine Theorie ablehnen? Das eine schloss doch das andere nicht aus. Wechselbeziehung, vielleicht, dachte er.
Bakterien konnten die Antwort auf Vampirismus sein.
Er fühlte sich plötzlich überschwemmt - wie der kleine Holländer, der seinen Finger in den Deich steckte und sich weigerte, das Meer der Vernunft einströmen zu lassen. Da war er gewesen - zusammengekauert und zufrieden mit seiner unerschütterlichen Theorie. Jetzt hatte er sich aufgerichtet und den Finger herausgenommen. Und nun begann bereits die Flut der Antworten hereinzufließen.
Die Seuche hatte sich so schnell ausgebreitet. Wäre das möglich gewesen, wenn nur Vampire sie übertragen hätten? Hätten ihre nächtlichen Ausflüge das geschafft?
Die plötzliche Antwort rüttelte ihn auf. Nur wenn man Bakterien als Erreger akzeptierte, ließ sich die unglaublich schnelle Ausbreitung der Seuche erklären, die geometrische Zunahme der Zahl der Opfer.
Er schob die Kaffeetasse zur Seite. Dutzende verschiedener Ideen überschlugen sich in seinem Kopf.
Fliegen und Stechmücken hatten mit dazu beigetragen, die Seuche zu verbreiten, bis sie wie Lauffeuer durch die ganze Welt tobte.
Ja, Bakterien erklärten eine Menge, beispielsweise das Koma der Vampire während des Tages, mit dem die Bazillen sich vor Sonneneinwirkung schützten.
Eine neue Idee: Was, wenn die Bakterien dem echten Vampir seine Kraft verliehen?
Neville spürte, wie es ihm kalt über den Rücken rann. War es denn möglich, dass der Bazillus, der die Lebenden tötete, die Toten mit Energie versorgte?
Er musste es wissen! Er sprang auf und eilte zur Haustür. Erst im letzten Moment, als er schon den Sperrriegel hochgehoben hatte, wich er erschrocken zurück. Großer Gott!, dachte er. Bin ich denn schon völlig übergeschnappt? Es war Nacht.
Er grinste unbehaglich und stapfte unruhig im Wohnzimmer hin und her.
Konnte es auch noch anderes erklären? Den Pfahl? Er quälte sich, bis ihm der Schweiß auf der Stirn stand. Gab es eine Verbindung zwischen dem Pfahl und der auf Bakterien beruhenden Krankheitsursache? Überleg schon!, spornte er sich an. Aber das Einzige, was ihm beim Pfahl einfiel, war die Blutung, die er verursachte. Doch das erklärte die Frau nicht. Und das Herz war es auch nicht ...
Er überging es hastig, weil er Angst hatte, seine neue Theorie könnte zusammenklappen, ehe sie überhaupt auf festen Beinen stand.
Also, dann das Kreuz. Nein, mit Bakterien ließ sich da nichts erklären. Die Erde - auch das war keine Hilfe. Fließendes Wasser, Spiegel, Knoblauch ...
Wieder einmal zitterte er unkontrollierbar. Er hätte am liebsten laut hinausgeschrien, das durchgehende Pferd aufzuhalten, das sein Verstand war. Er musste etwas finden! Verdammt, fluchte er lautlos. Ich gebe nicht auf.
Er zwang sich, sich wieder zu setzen. Bebend und steif saß er im Wohnzimmersessel und versuchte alle Gedanken auszuschalten, bis er sich beruhigt hatte. Großer Gott, dachte er schließlich, was ist nur los mit mir? Ich hab eine Idee, und wenn sie nicht gleich alles in der ersten Minute erklärt, packt mich die Panik. Ich glaub, ich dreh durch.
Jetzt griff er nach dem Drink, er brauchte ihn. Er hielt seine Hand in Gesichtshöhe, bis sie nicht mehr zitterte. Und nun, Sohnemann, sagte er zu sich, beruhige dich! Der Weihnachtsmann wird all die schönen Antworten bringen, dann wirst du nicht länger ein Robinson Crusoe auf einer Insel der Finsternis sein, die die
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