Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...
Lehmdach, das bei Regen undicht war. Und weil wir gerade zwei Zimmer frei hatten, nahmen wir sie bei uns auf. Sie zahlten eine symbolische Miete, und ihre drei Kinder gingen unentgeltlich in unsere Schule. Wir hatten sie gern bei uns, weil wir alle miteinander auf dem Dach »Räuber und Gendarm« spielen konnten.
Sie erzählten meinem Vater, die Polizei sei bei uns zu Hause aufgetaucht und habe gefragt, ob wir irgendwelche Drohungen erhalten hätten. Als mein Vater das erfuhr, rief er den Bezirkspolizeichef an, der ihm dieselbe Frage stellte. Mein Vater wollte von ihm wissen: »Wieso, haben Sie irgendwelche Informationen?« Der Beamte bat meinen Vater, ihn bei unserer Rückkehr aufzusuchen.
Danach war mein Vater unruhig und konnte Karachi nicht mehr genießen. Ich sah, dass meine Mutter und mein Vater sehr bestürzt waren. Ich wusste, dass meine Mutter immer noch um meine Tante trauerte und dass meine Eltern sich unbehaglich fühlten, weil ich so viele Preise erhielt. Aber diesmal schien es mehr als das zu sein. »Warum seid ihr so?«, fragte ich. »Ihr macht euch Sorgen wegen irgendetwas, aber ihr sagt es nicht.«
Da erzählten sie mir von dem Anruf zuhause und dass sie die Drohungen durchaus ernst nähmen. Ich weiß nicht, warum, aber zu hören, dass ich auf der Abschussliste stand, machte mir keine Angst. Jeder Mensch ist sich dessen bewusst, dass er eines Tages sterben wird. Niemand kann den Tod aufhalten, es spielt keine Rolle, ob er durch einen Taliban-Kämpfer kommt oder Krebs die Ursache ist. Darum sollte ich tun, was immer ich tun will.
»Vielleicht sollten wir unsere Kampagne beenden,
Jani
, und uns eine Weile ruhig verhalten«, meinte mein Vater.
»Wieso?«, entgegnete ich. »Du warst es doch, der immer gesagt hat, würde man an etwas glauben, das bedeutender ist als unser Leben, so sollte unsere Stimme nur umso deutlicher gehört werden, selbst wenn wir sterben sollten. Wir können unsere Kampagne doch nicht einfach aufgeben.«
Immer wieder wurde ich eingeladen, auf Veranstaltungen zu sprechen. Wie konnte ich mit der Begründung ablehnen, es gebe ein Sicherheitsproblem? Das war nicht möglich, schon gar nicht als stolze Paschtunin. Mein Vater pflegt immer zu sagen: »Wir Paschtunen haben ein Helden-Gen.«
Dennoch kehrten wir mit schwerem Herzen ins Swat zurück. Sofort ging mein Vater zur Polizei. Dort legte man ihm meine Akte vor und gab ihm zu verstehen, dass die Taliban aufgrund meiner nationalen und internationalen Prominenz auf mich aufmerksam geworden seien und mich mit dem Tod bedrohen würden. Ich bräuchte jetzt Personenschutz. Man bot uns Bodyguards an, doch mein Vater zögerte – schließlich waren viele Mitglieder des Ältestenrats im Swat ermordet worden, obwohl sie Leibwächter hatten, und der Gouverneur des Punjab war ja von seinem eigenen Bodyguard getötet worden.
Mein Vater befürchtete außerdem, bewaffnete Wächter würden die Eltern seiner Schüler verschrecken, auch wolle er andere nicht gefährden. Erhielt er früher Drohungen, sagte er immer: »Sollen sie mich umbringen, aber ich werde allein getötet.«
Er meinte, man könnte mich wie Khushal nach Abbottabad auf ein Internat schicken, aber das wollte ich nicht. Er traf sich auch mit dem hiesigen Oberst, der sagte, auf einem College in Abbottabad sei es auch nicht sicherer, und solange ich mich unauffällig verhielte, drohe uns im Swat keine Gefahr. Deshalb meinte mein Vater, als die Regierung von KPK mir anbot, mich zur Friedensbotschafterin zu ernennen, es sei besser, diese Ehre abzulehnen.
Obwohl wir wussten, dass die Taliban viele Schulen zerstört hatten, glaubten wir immer noch, dass sie niemals ein Kind töten würden. Auch sie haben so etwas wie Moral, dachten wir.
Wieder zu Hause, verriegelte ich fortan abends den Haupteingang unseres Hauses. »Sie riecht die Bedrohung«, sagte meine Mutter zu meinem Vater. Er war sehr unglücklich. Er schärfte mir immer wieder ein, in meinem Zimmer mit Einbruch der Dämmerung die Vorhänge zuzuziehen, aber ich tat es nicht.
»Aba, das ist doch eine verdrehte Situation«, sagte ich zu ihm. »Während der Talibanisierung waren wir in Sicherheit, jetzt, wo die Taliban nicht da sind, sind wir in Gefahr.«
»Ja, Malala«, erwiderte er. »Jetzt gilt die Talibanisierung eigens uns, solchen Menschen wie dir und mir, die weiterhin den Mund aufmachen. Im übrigen Swat ist alles gut. Die Rikschafahrer, die Ladenbesitzer sind in Sicherheit. Dies ist die Talibanisierung für besondere
Weitere Kostenlose Bücher