Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Titel: Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malala Yousafzai
Vom Netzwerk:
des Propheten besagt, sollte dir etwas Böses oder Schlechtes begegnen, dann hast du dieses mit eigener Hand auszureißen. Kannst du das nicht, so sollst du anderen davon erzählen. Kannst du aber auch dies nicht, dann sollst du diese Sache in deinem Herzen verdammen. Ich habe nichts persönlich gegen den Schulleiter, ich sage euch nur, was der Islam sagt. Diese Schule ist ein Hort des Vulgären und Obszönen, denn sie veranstalten mit den Mädchen Picknicks an verschiedenen Ausflugsorten. Wenn ihr dem nicht Einhalt gebietet, werdet ihr Gott dafür am Tag des Gerichts Rede und Antwort stehen müssen. Geht und fragt den Manager des Hotels White Palace. Er wird euch sagen, was diese Mädchen getan haben …«
    Mein Vater legte das Blatt hin. »Keine Unterschrift. Anonym«, sagte er.
    Wir saßen da, wie vor den Kopf geschlagen. »Sie wissen genau, dass niemand den Manager fragen wird«, sagte mein Vater. »Die Leute werden einfach glauben, dass dort etwas Schlimmes passiert ist.«
    »Wir wissen doch, was dort geschah. Die Mädchen haben überhaupt nichts getan«, versuchte meine Mutter ihn zu beruhigen.
    Mein Vater bat meinen Vetter Khanjee herauszufinden, wie viele dieser Briefe schon in Kopie verteilt worden waren. Als Khanjee zurückrief, hatte er schlechte Neuigkeiten für uns. Diese Briefe lägen schon überall aus, sagte er. Die meisten Ladenbesitzer würden sie aber nicht beachten oder sie wegwerfen. Doch man hätte davon auch große Plakate gedruckt, die würden an der Moschee hängen – mit denselben Anschuldigungen.
    Meine Klassenkameradinnen in der Schule hatten Angst. »Sir, man redet schlimme Dinge über unsere Schule«, sagten sie zu meinem Vater. »Was werden nur unsere Eltern sagen?«
    Mein Vater rief alle Mädchen in den Hof. »Warum habt ihr Angst?«, fragte er. »Habt ihr etwas getan, was gegen den Islam verstößt? Habt ihr etwas Unmoralisches angestellt? Nein. Ihr habt euch gegenseitig nur ein wenig mit Wasser bespritzt und Fotos gemacht, also müsst ihr auch keine Furcht haben. Das ist nichts weiter als Propaganda der Anhänger von Mullah Fazlullah. Nieder mit ihnen! Ihr habt genau wie die Jungen das Recht, im Grünen zu spielen und die Wasserfälle und die Landschaft zu genießen.« Die Rede meines Vaters war wie das Gebrüll eines Löwen, doch ich sah, dass ihm tief im Herzen bange war.
    Nur ein junger Mann nahm seine Schwester von der Schule. Doch wir wussten, dass damit die Sache nicht zu Ende war.
    Bald darauf hörten wir, dass jemand nach Mingora kommen sollte, der von Dera Ismail Khan, einer Stadt in unserer Provinz, zu einem Friedensmarsch aufgebrochen war. Wir wollten diesen Menschen in unserer Stadt willkommen heißen. Ich war mit meinen Eltern gerade unterwegs zum Treffpunkt, als sich uns ein kleingewachsener Mann näherte, der wie ein Verrückter in zwei Telefone zugleich zu reden schien. »Nehmen Sie nicht diesen Weg«, drängte er uns. »Dort ist ein Selbstmordattentäter unterwegs!« Wir hatten aber versprochen, uns mit dem Friedensaktivisten zu treffen, also nahmen wir einen anderen Weg, hängten ihm einen Kranz um den Hals und verschwanden auf dem schnellsten Weg nach Hause.
    In diesem Frühling und Sommer ereigneten sich ein paar recht merkwürdige Dinge. Fremde suchten uns auf und stellten Fragen über meine Familie. Mein Vater meinte, es seien Leute vom Geheimdienst. Die Besuche häuften sich, nachdem mein Vater und die Ältestenversammlung des Swat sich in unserer Schule versammelt und gegen Pläne der Armee protestiert hatten. Danach sollten die Einwohner von Mingora und unsere Bürgerwehr jede Nacht auf »Streife gehen«. »Die Armee verkündet, dass wir Frieden haben«, meinte mein Vater. »Warum brauchen wir dann Fahnenaufmärsche und nächtliche Patrouillen?«
    Schließlich fand an unserer Schule ein Malwettbewerb für die Kinder von Mingora statt, den ein Freund meines Vaters – er war Leiter einer NGO für Frauenrechte – ausrichtete. Das Thema dieses Wettbewerbs war »Geschlechtergleichheit und Diskriminierung von Frauen«. An jenem Morgen tauchten zwei Männer vom Geheimdienst in unserer Schule auf und wollten meinen Vater sprechen. »Was ist eigentlich hier los?«, fragten sie. »Das ist eine Schule«, antwortete mein Vater. »Und wir veranstalten gerade einen Malwettbewerb. So wie wir auch Rhetorik-, Koch- und Aufsatzwettbewerbe veranstalten.« Daraufhin wurden die Männer sehr wütend, mein Vater aber auch. »Jeder kennt mich hier und weiß, was ich tue!«,

Weitere Kostenlose Bücher