Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...
kämpfen sollten. Die Moschee wurde von zwei Brüdern geleitet, von Abdul Aziz und Abdul Rashid. Sie war ein Zentrum für Osama Bin Ladens Propaganda. Abdul Rashid hatte ihn kennengelernt, als sie in Kandahar mit Mullah Omar zusammentrafen. Unter der Führung der beiden Brüder wurde die Rote Moschee berühmt für ihre Hasstiraden, die, gerade nach dem 11 . September 2001 , Tausende von Anhängern anzogen. Als Präsident Musharraf mit den USA ein Bündnis zum Krieg gegen den Terror schloss, wandelten sich die langjährigen guten Kontakte zwischen Militär und Roter Moschee in erbitterte Feindschaft. Lal Masjid entwickelte sich zu einem Zentrum des Protests gegen die Regierung.
Später wurde gegen Abdul Rashid Anklage erhoben. Angeblich war er in den Bombenanschlag auf Musharrafs Konvoi in Rawalpindi im Dezember 2003 verwickelt. Die Ermittler meinten, der dabei verwendete Sprengstoff sei in der Roten Moschee gelagert worden. Ein paar Monate später aber sprach man ihn von allen Vorwürfen frei.
Als Musharraf 2004 mit der Entsendung von Truppen in die Stammesgebiete begann, starteten die Brüder eine Kampagne, in der die Militäroffensive als »unislamisch« gebrandmarkt wurde. Sie hatten eine eigene Website und einen eigenen Piratensender, ganz wie Fazlullah.
Etwa um dieselbe Zeit, als die Taliban ins Swat-Tal kamen, fingen die Mädchen der Jamia-Hafza-Madrasa an, die Straßen von Islamabad heimzusuchen. Sie stellten eigene »Bürgerwehr-Trupps« auf, die sich als selbsternannte Sittenwächter betätigten. In Burkas gekleidet und Stöcke schwingend, verbrannten sie nicht nur Videos und DVD s, sie veranstalteten auch Razzien in Häusern, die ihnen zufolge als Massagesalons dienten. Zudem kidnappten sie Frauen, die sie der Prostitution beschuldigten. Wenn es den Taliban zupasskommt, dürfen Frauen also sehr wohl sichtbar sein.
Leiterin der Jamia-Hafza-Madrasa war Umme Hassan, die Frau des älteren Bruders Abdul Aziz. Umme Hassan brüstete sich sogar damit, dass sie viele ihrer Schülerinnen zu Selbstmordattentäterinnen ausgebildet habe. Die Moschee schuf einen eigenen islamischen Gerichtshof, um dort Recht zu sprechen, da der Staat angeblich versagt habe. Ihre Schergen kidnappten Polizisten und plünderten Regierungsgebäude.
Die Regierung Musharraf schien wie gelähmt, was vielleicht mit den seit langem bestehenden Verquickungen zwischen Militär und Moschee zu tun hatte. Mitte 2007 schließlich hatte sich die Lage so zugespitzt, dass allgemein befürchtet wurde, die militanten Gruppen könnten die Hauptstadt unter Kontrolle bringen. Es war einfach unglaublich, was da geschah. In Islamabad geht es nämlich, ganz im Gegensatz zum Rest des Landes, gewöhnlich recht geordnet zu.
Am Abend des 3 . Juli umstellten dann aber Sonderkommandos mit gepanzerten Fahrzeugen die Moschee. In der gesamten Umgebung wurde der Strom abgeschaltet, es sollte alles dunkel sein. Und als die Dämmerung hereinbrach, feuerten mit einem Schlag die Geschütze los. Soldaten sprengten Löcher in die Mauern, die die Moschee umgaben, und beschossen das Gelände mit Granatwerfern. In der Luft kreisten Kampfhubschrauber. Über Lautsprecher forderten sie die Mädchen auf, sich zu ergeben.
Viele von den Männern, die sich in der Moschee aufhielten, waren Veteranen, die schon in Afghanistan und Kaschmir gekämpft hatten. Sie verbarrikadierten sich mit ihren Schülern hinter den Mauern. Vor der Moschee hatte sich eine große Anzahl besorgter Eltern versammelt, die ihre Töchter auf dem Handy anriefen und sie anflehten, bitte herauszukommen. Einige der Mädchen weigerten sich. Ihre Lehrer hatten ihnen gesagt, dass es eine glorreiche Sache sei, als Märtyrerin zu sterben.
Am nächsten Abend erschienen ein paar Mädchen in schwarzen Burkas, sie weinten leise. In ihrer Mitte hatten sich Abdul Aziz – getarnt mit einer Burka – und seine Tochter versteckt. Doch seine Frau und sein jüngerer Bruder blieben, und mit ihnen blieben viele andere. Täglich kam es zum Schusswechsel mit den Belagerern. Die Kämpfer innerhalb der Moschee hatten Granatwerfer und Benzinbomben, die sie aus Sprite-Flaschen gebastelt hatten. Die Belagerung zog sich vier Tage hin, bis zum 9 . Juli. Am späten Abend jenes Tages erschossen Heckenschützen von einem der Minarette herab den Kommandeur der Sondereinsatzkräfte. Schließlich verlor das Militär die Geduld und stürmte den Gebäudekomplex.
Der Einsatz wurde »Operation Stille« genannt, doch war sie alles andere als
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