Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...
Land gezündet wurde. Viele der Toten waren Studenten, die eine Menschenkette um den Bus gebildet hatten. Sie hatten sich »Märtyrer für Benazir« genannt. In der Schule war an diesem Tag jeder niedergeschlagen, sogar jene, die gegen Benazir waren. Wir waren am Boden zerstört, aber auch dankbar, dass sie überlebt hatte.
***
Etwa eine Woche später marschierte die Armee ins Swat-Tal ein. Die Hubschrauber und Jeeps machten einen Höllenlärm. Wir waren in der Schule, als wir die ersten Helikopter hörten. Aufgeregt liefen wir auf den Hof, und Soldaten warfen Tennisbälle und Toffees ab, auf die wir uns begeistert stürzten. Hubschrauber sah man im Swat früher selten, aber da unser Haus in der Nähe des Armee-Hauptquartiers lag, flogen sie jetzt öfter über uns hinweg. Jedes Mal veranstalteten wir einen Wettbewerb, wer die meisten Toffees aufsammeln würde.
Eines Tages suchte ein Mann aus unserer Straße uns auf und sagte, dass es am nächsten Tag eine Ausgangssperre geben solle. Wir wussten nicht recht, was das sein sollte, und alle hatten Angst. In der Wand zum Haus unserer Nachbarn, Safinas Eltern, war ein Loch, das wir benutzten, um mit ihnen zu kommunizieren. An jenem Tag klopften wir an die Wand, damit sie zum Loch kamen. »Was soll das heißen: Ausgangssperre?«, fragten wir. Als man uns erklärte, was damit gemeint war, beschlossen wir, am nächsten Tag nicht einmal unsere Zimmer zu verlassen. Seitdem ist die Ausgangssperre uns zur zweiten Natur geworden.
In den Abendnachrichten hörten wir, dass Musharraf rund 3000 Soldaten in unser Tal geschickt hatte, um die Taliban zu bekämpfen. Sie besetzten Regierungsgebäude und alle Privathäuser, die sie für strategisch nützlich hielten. Bis zu diesem Zeitpunkt, so wurde deutlich, schien Pakistan ignoriert zu haben, was im Swat vor sich ging.
Noch in dieser Nacht griff ein Selbstmordattentäter einen weiteren Armeekonvoi an und tötete 17 Soldaten und 13 Zivilisten. Ständig vernahmen wir im Bergland das Donnern der Geschütze. Es war schwer, Schlaf zu finden.
Am Morgen erfuhren wir durch das Fernsehen, dass es in den nördlichen Hügeln zu Kämpfen gekommen sei. Jeder versuchte zu verstehen, was da vor sich ging.
Auch wenn die Gefechte außerhalb von Mingora stattfanden, konnten wir die Gewehrfeuer doch ständig hören. Zunächst ließ das Militär verlautbaren, es habe mehr als 100 militante Kämpfer getötet, aber Anfang November überrannten rund 700 Taliban eine Armeestellung in Khwazakhela. Etwa 50 Soldaten desertierten vom Grenzkorps, weitere 48 wurden gefangen genommen und dann öffentlich herumgeführt. Fazlullahs Männer demütigten sie, indem sie ihnen ihre Uniformen und Gewehre abnahmen und jedem 500 Rupien gaben, damit sie wieder nach Hause konnten. Auf diese Weise demonstrierten sie, was sie von der Drohung der Regierung hielten.
Die Taliban nahmen in Khwazakhela zwei Polizeistationen ein und zogen nach Madyan weiter, wo noch mehr Polizisten sich ergaben. Nun hatten die Taliban den Großteil des Swat-Tals außerhalb von Mingora unter ihre Kontrolle gebracht.
Am 12 . November schickte Musharraf weitere 10000 Soldaten in unser Tal und verstärkt Angriffshubschrauber. Die Armee war überall. Die Soldaten kampierten sogar auf dem Golfplatz, wo sie auf dem Fairway ihre großen Maschinengewehre abstellten.
Es wurde nun eine Militäraktion gegen Fazlullah durchgeführt, die später als »Erste Schlacht ums Swat« bekannt wurde. Diese Operation war die erste, die die Armee je gegen die eigenen Leute außerhalb der Stammesgebiete durchgeführt hatte.
Die Polizei versuchte, Fazlullah zu ergreifen, als er auf einer großen Versammlung sprach. Doch ein gewaltiger Sandsturm erhob sich, und er konnte entkommen. Das erhöhte natürlich seine ohnehin schon geheimnisvolle Aura und seinen Ruf als geistlicher Führer!
Doch die Extremisten gaben nicht auf. Sie zogen sich in den Osten zurück und nahmen am 16 . November 2007 Alpuri ein, die Hauptstadt von Shangla. Auch dort floh die örtliche Polizei, ohne Widerstand zu leisten. Es wurde gesagt, dass Tschetschenen und Usbeken unter den Kämpfern seien. Wir sorgten uns um unsere Verwandten in Shangla, doch mein Vater meinte, das Dorf, in dem sie lebten, sei zu weit weg. Es sei für die Taliban nicht interessant, auch hätte man deutlich gemacht, dass man sie hinauswerfen würde.
Im Gegensatz zu den militanten Taliban hatte die pakistanische Armee mehr Männer und auch schwere Artillerie, daher
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