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Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Titel: Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malala Yousafzai
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Botschaft, die du aber nach deinem eigenen Ermessen auslegen kannst.«

11
    Die Klasse der klugen Mädchen
    I n diesen finsteren Tagen hielt mich nur die Schule aufrecht. Wenn ich durch die Straßen ging, beschlich mich unweigerlich das Gefühl, jeder Mann neben mir könnte einer von den militanten Taliban sein. Wir versteckten unsere Schultaschen und Schulbücher unter unseren Schals. Mein Vater hatte immer gesagt, der schönste Anblick für ihn seien Kinder in Schuluniform. Nun hatten wir Angst, diese zu tragen.
    Mittlerweile gingen wir in die Oberschule. Madam Maryam meinte, niemand wolle uns mehr unterrichten, weil wir immer so viele Fragen stellten. Es gefiel uns, dass man uns die »klugen Mädchen« nannte. Wenn wir zu Hochzeiten und Feiertagen unsere Hände mit Henna schmückten, bemalten wir sie mit Integralen und chemischen Formeln statt mit Blumen und Schmetterlingen.
    Malka-e-Noor war weiterhin meine stärkste Konkurrentin. Aber nach dem ersten Schock, dass sie auf einmal Erste wurde, als sie an die Schule kam, hatte ich viel und fleißig gelernt. Und ich hatte meinen Platz auf der Ehrentafel der Schule als Klassenbeste zurückerobert. Malka-e war Zweite geworden, Moniba Dritte. Die Lehrer sagten uns, dass die Prüfer zuerst den Umfang unserer Arbeit bewerteten – also wie viel wir geschrieben hatten –, danach würde es um die Ausführung gehen. Moniba hatte die schönste Schrift von uns allen, aber ich sagte ihr, dass sie sich nicht genug zutraute. Sie lernte viel, weil sie immer Angst hatte, dass ihre männlichen Verwandten schlechte Noten als Vorwand benutzen würden, um sie nicht mehr zur Schule gehen zu lassen. Ich war die Schlechteste in Mathe – einmal habe ich sogar null Punkte bekommen –, aber auch hier gab ich mir jetzt richtig Mühe. Mein Chemielehrer Sir Obaidullah meinte, ich sei eine geborene Politikerin, weil ich vor den mündlichen Prüfungen immer behaupten würde: »Sir, ich kann Ihnen nur sagen, Sie sind der beste Lehrer, und Ihren Unterricht mag ich am liebsten.«
    Einige unserer Freunde, vor allem Malka-e-Noors Eltern, meinten, ich würde bevorzugt werden, weil meinem Vater die Schule gehörte. Doch im Allgemeinen waren die Leute einfach nur erstaunt, dass wir trotz der Konkurrenz zwischen uns gute Freundinnen und aufeinander nicht neidisch waren.
    Wir rivalisierten auch miteinander um den besten Platz bei den Bezirksprüfungen, wo es um den Platz der besten Privatschüler in der ganzen Region ging. Einmal, als Malka-e-Noor und ich exakt die gleichen Noten erhielten, mussten wir noch einen Aufsatz schreiben – und wieder war unsere Note identisch. Dann hieß es, mein Vater würde mir sicher helfen, am Ende die beste Note zu bekommen. Also sorgte er dafür, dass wir an der Schule von seinem Freund Ahmat Shah eine weitere Prüfung ablegten. Und wieder hatten wir dieselbe Note – und so ging der Preis an uns beide.
    Doch in der Schule drehte sich nicht alles nur ums Lernen. Wir spielten auch Badminton und führten Theaterstücke auf. So schrieb ich einen Sketch, der auf Shakespeares Drama
Romeo und Julia
basierte. Gewählt hatte ich mir das Thema Korruption. Ich selbst übernahm die Rolle von Romeo, der Sondierungsgespräche mit einigen Bewerbern führte. Kandidat Nummer eins ist ein wunderschönes Mädchen, dem Romeo ganz einfache Fragen stellt, zum Beispiel: »Wie viele Räder hat ein Fahrrad?« Als sie antwortet: »Zwei!«, bricht er in Begeisterung aus: »Sie sind einfach genial!« Der nächste Bewerber ist ein junger Mann, und Romeo fragt ihn ganz unmögliche Sachen: »Beschreiben Sie mir, ohne von Ihrem Stuhl aufzustehen, den Bauplan des Ventilators im Obergeschoss.« Als der junge Mann meint: »Woher soll ich denn das wissen?«, erhält er zur Antwort: »Was? Sie haben einen Doktortitel und wissen das nicht?« Selbstverständlich gibt Romeo dem Mädchen die Stelle.
    Moniba verkörperte das Mädchen, und eine andere Klassenkameradin, Attiya, spielte meinen Assistenten. Attiya sollte mit ihren witzigen Nebenbemerkungen ein bisschen Salz, Pfeffer und Masala in die Sache bringen.
    Wir alle lachten viel in der Schule, auch in den Pausen, wo ich meine Lehrer imitierte, vor allem Sir Obaidullah. Diese kleinen Gelegenheiten zum Lachen hatten wir bitter nötig in jenen Tagen, in denen so viel Schlimmes geschah.
    Der Armee war es 2007 trotz aller Bemühungen nicht gelungen, die Taliban zu vertreiben. Die Soldaten waren im Swat geblieben und überall in Mingora präsent.

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